Gamechanger für Zirkularität und Datenökonomie

Prof. Thomas Knothe und Theresa Riedelsheimer führen internationale Normungsgremien zu digitalen Produktpässen und helfen Verbänden und Unternehmen bei deren Einführung.

Was ist, kann, will ein Produktpass?

Riedelsheimer:

Ab Februar 2027 ver­langt die EU digitale Produktpässe (DPP) für Traktions-, Zweirad- und Industriebatterien. Passpflichten für weitere Produkt-kategorien werden folgen. Ein DPP kann als digitaler Ausweis verstanden werden, der mit einer Kette von Informationen ein Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus dokumentiert. Das beginnt mit der Materialgewinnung und reicht über Fertigung und Nutzung bis zum End of Life. 

Knothe:

Das Ziel dahinter ist, Nachverfolgbarkeit von Umweltwirkungen und sozialen Aspekten in der Lieferkette zu ermöglichen und so langfristig zum Beispiel Umweltbelastungen zu reduzieren und Wiederverwendung zu fördern.

© Ivan Milovanov / IM Imagery OU
Die Batterie eines Elektroautos läuft in einem Automobilwerk übers Band.

Wo liegen die Herausforderungen?

Riedelsheimer:

Die EU gibt eine umfassende Regulatorik vor, die Umsetzung ist aber an vielen Stellen noch nicht ausdetailliert. Für die Unternehmen stellt sich daher die Frage: Wie sollen wir die geforderten Daten sammeln, wie garantieren wir Datensicherheit und die einheitliche Berechnung von Indikatoren? Nicht zu vergessen die globale Dimension. Die Regulatorik gilt für alle Produkte, die auf den europäischen Markt kommen – auch von außereuropäischen Zulieferern und OEMs. Da gibt es viel Abstimmungs- und Standardisierungsbedarf.

Knothe:

All das verursacht in den Unternehmen Unsicherheiten hinsichtlich der Kosten sowie der operativen Aufwände und damit der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte. Zudem tun sich viele Unternehmen schwer damit, über die Erfüllung der Regulatorik hinaus für sich die Vorteile von DPP zu erschließen. Dabei gibt es dazu schon sehr gute Beispiele, etwa im Bereich der Nachverfolgbarkeit der Produkte, nachdem sie verkauft sind, und dem Aufsetzen darauf aufbauender Serviceangebote.

Wie unterstützen Sie die ­Unternehmen?

Knothe:

Wir adressieren drei Ebenen. Erstens drängen wir in der Standardisierung auf praxistaugliche und zugleich kostengünstige technische Rahmenbedingungen. Zweitens unterstützen wir Verbände, um insbesondere branchenspezifische Lösungen zu schaffen, die vielen Mitgliedern gleichermaßen ­nutzen. Drittens schlagen unsere prozessorientierten Lösungen die Brücke von im Unternehmen vorhandenen Komponenten zu Gesamtsystemen, die sowohl die Anforderungen der Regulierung erfüllen, als auch den Unternehmensnutzen steigern.

Riedelsheimer:

Technisch fördern wir die Anknüpfung an Prozesse und Systeme in Unternehmen. Ein Teil der Daten ist meist vorhanden, etwa in der Produktentwicklung. Sie müssen weitergereicht werden – Stichwort Interoperabilität und unternehmensübergreifender Datenaustausch. Wir unterstützen bei der Entwicklung der nötigen IT-Architektur, Daten­modelle und Schnittstellen, aber auch Softwareanwendungen. In Catena-X und Aerospace-X machen wir das für Kreislaufwirtschaftsthemen am Beispiel von Batterien und anderen Komponenten.

Weitere Informationen

 

Forschungsprojekt

Battery Pass

Im Projekt "Battery Pass" entstehen inhaltliche und technische Rahmenwerke und Empfehlungen für den europäischen Produktpass für Batterien.

 

Forschungsprojekt

Catena-X

Catena-X ist eine Initiative zur Schaffung einer gemeinsamen Dateninfrastruktur für die gesamte Wertschöpfungskette der Automobilindustrie. 

Forschungsprojekt

Aerospace-X

Aerospace-X entwickelt ein kollaboratives Ökosystem für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Luft- und Raumfahrt und macht Lieferketten durch Digitalisierung und Datensouveränität zukunftssicher.