Meister(lich) digitalisieren: Neues Fachbuch befähigt KMU und deren Belegschaft
Die digitale Transformation stellt den deutschen Mittelstand vor große Herausforderungen. Eine der Hürden ist oft die mangelnde IT-Kompetenz der Mitarbeitenden. Wie produzierende Firmen dennoch Industrie-4.0-Technologien auf den betrieblichen Hallenboden bringen können, haben Experten des Fraunhofer IPK gemeinsam mit KMU und anderen Forschungseinrichtungen untersucht. Ihre Lösungsansätze haben sie jetzt in einem Buch veröffentlicht, das unter anderem die Rolle von Meisterinnen und Meistern betont.
In einer aktuellen Studie der staatlichen Förderbank KfW gaben 38 Prozent der befragten KMU die mangelnde IT-Kompetenz ihrer Beschäftigten als ein Digitalisierungshemmnis an. Das sind knapp 10 Prozent mehr als noch 2017. Wie relevant das Thema Qualifizierung ist, zeigt auch das Forschungsprojekt »Jump 4.0 – Mobile Jobeinplanungsunterstützung für den Meister in der Produktion«. Es beschäftigte sich mit den speziellen Herausforderungen der Digitalisierung an KMU und deren Mitarbeitende. Die Ergebnisse des Projekts wurden jetzt in dem Buch »Die Digitalisierungshürde lässt sich Meister(n)« veröffentlicht.
Die Autoren des Buches sind Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft. Sie geben praktische Einblicke in Technologien zur digitalen Vernetzung bereits vorhandener Maschinen und Anlagen in produzierenden Unternehmen. Darüber hinaus entwerfen sie neue Rollenbilder und flexible Qualifizierungsmodelle für die Belegschaft, um eine agile Prozessorganisation zur Abwicklung von kundenindividuellen Aufträgen zu gewährleisten.
Vor allem den Meisterinnen und Meistern kommt als zentralen Akteuren in der Produktion eine Schlüsselrolle zu. Das Fachbuch gibt ihnen deshalb ein Werkzeug an die Hand, das sie dazu befähigt, individuelle Kundenanfragen zu bewerten und für die Produktion einzuplanen. Der sogenannte »Jump Planner« ist ein agiles Prozessmanagementsystem. Er versetzt Meisterinnen und Meister in die Lage, unabhängiger zu arbeiten, schneller zu reagieren und besser Entscheidungen zu treffen. Dazu stellt er situativ alle notwendigen Informationen bereit, um zum Beispiel bei Störfällen die beteiligten Prozesse abzusichern. Das wiederum hat positive Effekte auf Durchlaufzeiten, Produktivität, Qualität und Liefertreue.
Der »Jump Planner« funktioniert branchen- und unternehmensunabhängig. Er basiert auf speziell entwickelten Datenmodellen und Werkzeugen, die Prozessmodelle mit vorhandenem Expertenwissen anreichern. Das Erfahrungswissen der Meisterinnen und Meister fließt so immer wieder in den Produktionsprozess zurück.
»Uns geht es nicht darum, vollständig digital vernetzte Fertigungssysteme in der mittelständischen Produktion zu realisieren,« sagt Professor Thomas Knothe, Leiter der Abteilung Geschäftsprozess- und Fabrikmanagement am Fraunhofer IPK. »Wir wollen KMU und deren Belegschaft vielmehr dabei unterstützen, die für die Digitalisierung notwendigen Standards zu etablieren und gleichzeitig den höheren Anforderungen an Individualität und Flexibilität bei der Herstellung von Produkten gerecht zu werden.« Dafür stellen er und seine Mitherausgeber auch ein Technologiebewertungssystem vor, das Unternehmen helfen soll, konkrete Bedarfe an Industrie-4.0-Technologien zu erfassen und damit verbundene Investitionen einzuschätzen. Ein Leitfaden zeigt außerdem, wie Unternehmen digitale Einzel- oder Komplettlösungen systematisch einführen können.
KNOTHE, Thomas; GERING, Patrick; RIMMELSPACHER, Sven O.; MAIER, Michael (Hrsg.): Die Digitalisierungshürde lässt sich Meister(n). Erfolgsfaktoren, Werkzeuge und Beispiele für den Mittelstand. Springer Vieweg, 2020. ISBN: 978-3-662-60366-6, 978-3-662-60367-3 (eBook)
Das Projekt »JUMP 4.0 – Mobile Jobeinplanungsunterstützung für den Meister in der Produktion« wurde im Rahmen der Initiative »Industrie 4.0 – Forschung auf den betrieblichen Hallenboden« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.