Unser Ziel: die beste Lösung für Applikation und Umwelt

Interview mit Dr. Ansgar Kriwet, FESTO SE & CO. KG

futur: Bei Festo »denkt man in Generationen, nicht in Geschäftsjahren, « heißt es auf der Firmenwebseite. Nachhaltigkeit als Mission – wie schlägt sich das in Ihrer Unternehmensstrategie nieder?

Kriwet:

In unserer aktuellen Unternehmensstrategie haben wir den an uns selbst gestellten Anspruch so formuliert: »Progress in Motion« ist unser Antrieb. Mit unserer Kompetenz in Automation und technischer Bildung steigern wir die Produktivität unserer Kunden und schaffen darüber Freiräume für eine nachhaltige Entwicklung von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft.

Dieser Leitsatz gilt für alle Festo Mitarbeiter weltweit. Unter Nachhaltigkeit verstehen wir nicht nur Klimaschutz, sondern auch Gesundheit und Sicherheit sowie als ganz wichtige Säule für unsere Zukunft das Thema technische Bildung. Festo hat bereits in den 50er Jahren die Festo Didactic gegründet, um technologieflankierend den Menschen lebenslanges Lernen und Kompetenzentwicklung zu ermöglichen. Die Digitalisierung bietet viele neue Möglichkeiten und Chancen.

Damit Industrie 4.0 gelingen kann, sind die Ausbildung und Qualifizierung der Fachkräfte an die neuen Anforderungen der digitalen Produktion anzupassen. Festo Didactic setzt seine umfangreichen Erfahrungen aus der Praxis der digitalen Produktion in geeignete Lernprogramme, -module und -inhalte um, damit Fach- und Nachwuchskräfte auf ihre neue Rolle in der Smart Factory und die Anforderungen der Industrie 4.0 bestens vorbereitet sind.

futur: Als Vorstand Sales, könnte man meinen, schauen Sie hauptsächlich auf Verkaufszahlen und Absatzmärkte. Welchen Einfluss haben Nachhaltigkeitsüberlegungen auf Ihre Arbeit?

Kriwet:

Einen sehr großen. Das Thema Nachhaltigkeit spielt nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren Kunden eine immer größere Rolle. Wir sind als B2B-Unternehmen ein klassischer Zulieferer für eine Vielzahl von Branchen, angefangen bei der Automobil-, Lebensmittel- und Verpackungsindustrie, im Bereich LifeTech sowie der Elektronikindustrie bis hin zur Prozessautomation. Wir müssen deshalb den gesamten Lebenszyklus unserer Produkte betrachten und nicht nur nach uns selber schauen. Unser Ziel: die beste Lösung für Applikation und Umwelt.

Smarte Produkte für smarte Lösungen sorgen für mehr Produktivität unserer Kunden, mehr Wohlstand in der Welt, bei rücksichtsvollem Umgang mit unserer Umwelt. Aus der neuen Ressource Daten generieren wir Information und Wissen, um in unseren eigenen Fabriken und in den Fabriken unserer Kunden höchste Qualität, eine selbstoptimierende Produktion, ein Höchstmaß an Flexibilität und einen minimierten Ressourcenverbrauch zu erreichen. KI ist nun in der industriellen Praxis angekommen. Festo setzt bereits heute KI in seinem Produktangebot ein, um gemeinsam mit dem Expertenwissen des Menschen aus komplexesten Anlagendaten die idealen Druckpunkte für eine selbstlernende Optimierung zu ermitteln, die dem Kunden eine noch höhere Overall Equipment Effectiveness garantiert.

Weitere Beispiele: Mit der digitalen Verwaltungsschale hat Festo eine standardisierte, semantische und technische digitale »Verpackung« für Werkstücke und Komponenten bereitgestellt, die das herstellerübergreifende Zusammenwirken in digitalen Ökosystemen ermöglicht. Dazu gehören auch interoperable Modelle für Dokumentation, Zertifikate, Software, Datenblätter, 3D, EPLAN und AutomationML wie zum Beispiel das digitale Typenschild, das zukünftig Handbücher und Bedienungsanleitungen aus Papier überflüssig machen wird.

futur: Zu einer nachhaltigen Unternehmensführung gehört auch der sparsame Einsatz von Ressourcen. Wie setzen Sie das konkret um?

Kriwet:

Größter Stellhebel zur Minderung der globalen CO2-Emissionen sind unsere Produkte und Lösungen im Markt. Wir unterstützen unsere Kunden auf dem Weg zur CO2-neutralen Produktion mit smarten Produkten und ganzheitlicher Beratung zur Steigerung der Energieeffizienz. Diesen Ansatz werden wir deshalb deutlich ausbauen.

Aktuelle Beispiele aus unserem Produktportfolio gibt es aber auch schon: Mit dem Festo Motion Terminal VTEM haben wir die Digitalisierung der Pneumatik eingeführt. Ventilfunktionen werden per App gesteuert und Hardware muss nicht mehr ausgetauscht werden, um eine Anlage für neue Produkte umzurüsten.

Außerdem ist Festo der einzige Anbieter, der die Piezotechnologie in seine Ventiltechnik adaptiert hat. Piezoventile brauchen 20-mal weniger Energie bei einer 20-mal längeren Lebensdauer. Sie können daher beispielsweise auch in Beatmungsgeräten eingesetzt werden. Was die Piezoventiltechnik besonders für den Einsatz in der Medizintechnik prädestiniert, sind der geräuschlose Betrieb, die fehlende Wärmeentwicklung, ihre kleine und leichte Bauweise sowie die höchst präzise Steuerung kleinster Durchflussmengen. Sie sind nicht magnetisch und beeinflussen keine anderen medizintechnischen Geräte. An unseren internationalen Standorten werden wir große Anstrengungen unternehmen, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern. Wir schließen die Supply Chain in unsere Bemühungen mit ein, z. B. in unseren Logistikprozessen. Nachhaltiges und umweltbewusstes Verhalten unserer Mitarbeiter sehen wir dabei als wichtigen Erfolgsfaktor.

futur: Stichwort Energieeffizienz: Das Thema spielt in dieser Ausgabe ja eine große Rolle. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Energieverbrauch in der industriellen Produktion spürbar zu senken?

Kriwet:

Auf die Herstellung unserer Produkte in unseren eigenen Werken entfallen fünf Prozent CO2-Emissionen, im laufenden Betrieb der Anlagen bei den Kunden entstehen 95 Prozent der CO2-Emissionen. Deshalb haben wir einen ganzheitlichen Festo Energy Saving Service, kurz FESS entwickelt, der bei den Kunden die Auslegung und den Betrieb der Anlagen prüft und alle Schwachstellen und Optimierungsmöglichkeiten herausarbeitet. Sensoren liefern uns die Daten, die die Energieverbräuche einer Produktion transparent machen, bis auf die einzelne Komponente genau.

futur: Denken Sie bitte zum Abschluss an Festo in 50 Jahren. Wie wird die Generation Ihrer Kinder von neuen Automatisierungslösungen profitieren?

Kriwet:

Einerseits entlastet Automatisierung die Menschen von ermüdenden und belastenden Tätigkeiten am Arbeitsplatz, andererseits stellt sie eine kontinuierliche Versorgung der Menschen mit den notwendigen Gütern und Waren sicher. Dank Künstlicher Intelligenz und kollaborativer Robotik wird es dann kaum noch körperlich schwere Arbeiten in der industriellen Produktion geben. Ich hoffe, bis dahin haben wir die Produktion außerdem von linearen Prozessen in Richtung Kreislaufwirtschaft emissionsfrei weiterentwickelt.

Dr. Ansgar Kriwet

© Festo SE & Co. KG
Dr. Ansgar Kriwet

studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen. Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb IWF der TU Berlin sowie am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, bevor er an das Institut für Management und Technologie IMT in Berlin wechselte. Dr. Kriwet war bei Festo am Aufbau des neu gegründeten Bereiches Cybernetic maßgeblich beteiligt. Als Leiter des Produktmanagements Innovationen sowie des Produktmanagements Controls hatte er die Strategieverantwortung für alle Produktfamilien innerhalb dieser Segmente. Mit der Leitung des Product Center Ventile übernahm er die Verantwortung für die strategische Neuausrichtung des Bereiches. 2009 wurde Dr. Kriwet in den Vorstand berufen und war zunächst für die Region und den Vertrieb Europa, seit 2013 dann für den globalen Vertrieb bei Festo verantwortlich. Dr. Kriwet ist seit 2018 Mitglied des Kuratoriums des Fraunhofer IPK.