Virus vs. Open Source

Dokumentation ist das Mantra für die Open-Source-Hardware-Community. Dies ergab die Studie OPEN.Effect, die Projekte zur Fertigung von Beatmungsgeräten evaluierte.

Solche Beatmungsgeräte sind wertvolle Lebensretter. Gut geplante und durchgeführte Open-Source-Hardware-Projekte können dabei helfen, sie schnell und sicher zu fertigen.

Vor etwa einem Jahr waren Beatmungsgeräte knapp. Die COVID-19-Pandemie ließ die Nachfrage sprunghaft ansteigen, was zu globalen Lieferengpässen führte. Allein in Deutschland wurde laut Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Zahl der Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit von rund 22 000 vor der Pandemie, auf heute über 28 000 aufgestockt, Reserven nicht einbezogen. Gleichzeitig entstanden weltweit zahlreiche Open-Source-Projekte zur Fertigung von Beatmungsgeräten durch dezentrale Hersteller. Ein wissenschaftliches Team des Fraunhofer IPK setzte sich in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Organisation Public Invention im Mai 2020 mit der Studie OPEN.Effect das Ziel, diese Projekte zu sammeln, zu analysieren und zu evaluieren. 


Offene Methode, offenes Feedback

Für die Studie wurden 27 Mitwirkende an 14 repräsentativen Projekten der Open-Source-Hardware (OSH)-Community zu ihren Erfahrungen interviewt. Die Befragten kamen aus unterschiedlichen Fachgebieten wie Projektmanagement, Software-und Hardware- Entwicklung oder Design. Auch eine Vielfalt an Organisationsformen war vertreten, von offenen Gemeinschaften über Non-Profit-Organisationen und Forschungsinstitute bis hin zu Unternehmen. Grundlage für die Interviews waren 13 anhand der Vorrecherchen erarbeitete Kriterien für OSH-Projekte, darunter zum Beispiel Openness, Buildability oder auch Functional and Reliability Testing. Die Ergebnisse der Interviews liefern ein Gesamtbild, in welchem Status sich die Vorhaben befinden, welche Vorgehensweisen sich als optimal erwiesen haben und welche Herausforderungen aufgetaucht sind. Anhand dieser Informationen leiten die Autorinnen und Autoren der Studie Hinweise ab, die in Zukunft für andere derartige OSH-Projekte hilfreich sein können. 


Zwischen Idee und Einsatz

Doch wie kann die OSH-Community und deren Projekte konkret weiterentwickelt werden? Ein Beatmungsgerät durchläuft eine Vielzahl an Phasen, vom Entwurf bis hin zum Einsatz bei erkrankten Personen. Entlang dieser Phasen machen die Autorinnen und Autoren der OPEN.Effect-Studie konkrete Vorschläge für die Verbesserung der Prozesse.

Einige Beispiele

1. Medizinisches Personal bzw. die Benutzerinnen und Benutzer sollten von Anfang an in den Entwicklungsprozess involviert sein, um sich an den gängigen Gerätemodellen orientieren und Tutorials zur Verfügung stellen zu können.

2. Wegen schwieriger Lieferkettensituationen sollte auf regional verfügbare und standardisierte Bauteile zurückgegriffen werden, um eine Modularität und Austauschbarkeit zu ermöglichen.

3. Der Bauvorgang des Geräts sollte vom technischen Personal für künftige Projekte lückenlos und kontinuierlich dokumentiert werden.

4. Das fertige Gerät muss den hohen Qualitätsstandards der Medizinindustrie gerecht werden. Zentralisierte Prüfungseinrichtungen können (dezentrale) Hersteller bei der Beschaffung von Testequipment enorm entlasten. Standardisierte Prüfungsverfahren und -protokolle sind hier von Vorteil.

5. Die letzte und entscheidende Hürde nach der Testphase ist der Zulassungsantrag des fertigen Beatmungsgeräts bei nationalen Behörden. Der aufwendige bürokratische Prozess sollte vollständig dokumentiert werden, um zukünftige Projekte zu erleichtern. 

Insgesamt zeigt die Studie, dass es für offene Communities möglich ist, schnelle und sichere Lösungen für ein kritisches Problem während der Pandemie erfolgreich zu entwickeln und zu fertigen. Die komplette englischsprachige Studie kann ab sofort unter www.ipk.fraunhofer.de/open-effect gratis heruntergeladen werden. OPEN.Effect wurde im Rahmen der Kampagne »Fraunhofer vs. Corona« von der Fraunhofer-Gesellschaft finanziert.

 

Open.Effect

Mehr Infos zum Projekt und gratis-Download der englischsprachigen Studie ...