Über die Plattformökonomie zur Kreislaufwirtschaft

Ein neues Labor soll den Forschenden am PTZ Berlin ermöglichen, mit Technologien für eine plattformbasierte Produktionstechnik zu experimentieren. Das Ziel: eine resiliente Kreislaufwirtschaft.

© IWF TU Berlin
So könnte die Auftragsarbeit im Urban CIRCLAS Lab bald aussehen.
© IWF TU Berlin
© IWF TU Berlin
Werkstattkonzept für die cloudgestützte urbane Produktion

Ob Mobilität, Wohnungssuche oder Lieferungen: Die Plattformökonomie hat in den letzten Jahren viele etablierte Wirtschaftssektoren disruptiv verändert. Bei diesem Prinzip werden Angebote von Waren oder Dienstleistungen über virtuelle Vermittlungsund Kollaborationsplattformen direkt mit den Abnehmenden in Verbindung gebracht. Der Erfolg beruht auf dieser standardisierten Bündelung, der effizienten Verknüpfung von bisher verstreuten Teilnehmenden und der großen Reichweite von Plattformlösungen. Diese Art des Wirtschaftens hat viele Vorteile, etwa eine enorme Resilienz und Dynamik. Dennoch hat sich bis heute kein bemerkenswerter Spill-over-Effekt in die Produktionstechnik ergeben: Geschäftsmodelle, in der Produktionsaufträge plattformbasiert flexibel vergeben und kollaborativ bearbeitet werden, sind bisher eine Randerscheinung.

Was produktionstechnische Unternehmen davon abhält, diesen Weg zu beschreiten, sind vor allem der hohe erforderliche Absicherungsgrad und die Komplexität der zu erbringenden Leistungen. Auch die hohe Betriebsmittel-Intensität und das sehr spezielle Produktions-Know-how wirken bremsend. Schließlich setzt die plattformbasierte Bearbeitung von Produktionsaufträgen eine Granularisierung und auftragsspezifische Ad-hoc-Neuzusammenstellung von Betriebsmitteln, Prozessen, Personal und Know-how voraus. Insbesondere für Produktionsabläufe, die komplexer sind als die Einzelteilfertigung nach Zeichnung, ist das in der Praxis noch weitgehend ungelöst.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Produktionstechnischen Zentrum (PTZ) Berlin wollen nun die erforderlichen Automatisierungstechnologien entwickeln, um eine resiliente Kreislaufwirtschaft auf Basis granular verteilter Produktionsressourcen zu ermöglichen. Dazu sollen Cloud Manufacturing, Handhabungs- und Montagetechnologien sowie lebenszyklusbegleitende Services und End-of-Life-Prozesse miteinander verknüpft werden. Hierfür will das Forschungsteam die entsprechenden Hardware-, Software- und Datenarchitekturen sowie methodische Konventionen im hohen Maß generalisierbar, standardisierbar und automatisierbar gestalten. Dadurch sinken die Kosten für deren Implementierung bereits am ersten Standort, für jeden weiteren Standort sind sie dann sogar noch günstiger duplizierbar.

Das zu diesem Zweck entworfene »Urban Circular Cloud Assembly and Services Lab (Urban CIRCLAS Lab)« wird derzeit ausgestattet mit Industrierobotern, Cobots, Messtechnik und Safety-Sensorik. Shopfloorund Cloud-IT mit entsprechenden Digitalisierungs- und Steuerungsschnittstellen runden das Konzept ab. Das Labor ergänzt damit am PTZ die bereits benachbarten produktions- und automatisierungstechnischen Versuchsstände und Maker Spaces. Für Industriekooperationen bietet das »Urban CIRCLAS Lab« eine Innovationsumgebung, bei der Automatisierungs- und Handhabungstechnik mit passender Shopfloor-IT schnell konfiguriert werden können.

Anhand konkreter Case Studies in der realitätsnahen Umgebung des »Urban CIRCLAS Lab« arbeiten die Beteiligten an Forschungsergebnissen und industrialisierbaren Innovationen. Ein erstes konkretes Projektbeispiel ist eine zweijährige Kooperation mit der Formhand Automation GmbH zur Entwicklung eines kameralosen Bin-Picking-Ansatzes mittels Soft-Robotik-Greifern. Daneben planen die Forschenden in dem neuen Labor auch, automatisierte Wartungs- und End-of-Life-Demontageprozesse von Batteriesystemen für Elektroautos zu untersuchen.