FUTUR: Stichwort Risikomanagement – Sie nutzen auch eine Risiko-Web-App, um zum Beispiel komplexe Regularien zu managen. Wie funktioniert das genau?
Moos:
Wir setzen auch hier auf der Prozessarchitektur auf und überlegen bei jedem Prozessschritt, den wir modellieren: Was könnte schiefgehen, sprich welche Risiken gibt es möglicherweise? Wie groß kann deren Auswirkung sein? Die Risikomanagement-Web-App, die wir gemeinsam mit dem Fraunhofer IPK entwickeln, visualisiert diese Risiken. Ähnlich wie bei einem Fieberthermometer kann ich erkennen, wie hoch ein Risiko ist und auch, wie es sich über einen Zeitraum verändert. Die App basiert auf den Kriterien des Prüfungsstandards PS 982 des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) und anderen einschlägigen Regelwerken, die Grundsätze für die Prüfung und Optimierung von internen Kontrollsystemen des internen und externen Berichtswesens festlegen. Beide Werkzeuge, der Projektprozessassistent und die Risikomanagement-App, werden mithilfe von Process Mining, wir nutzen hier wie gesagt Celonis, kontinuierlich analysiert und weiter optimiert. Das ist praktisch eine automatische prozessbasierte Kontrolle, über die wir testen, dass unsere integrierten Risiko- und Kontrollsysteme funktionieren. Das geht auch heute nicht mehr manuell, gerade was den Bereich Regularien angeht, wenn Sie als Unternehmen standortübergreifend global tätig sind. Denken Sie zum Beispiel an die unterschiedlichen Antikorruptionsgesetze, die national und international gelten – das überblicken Sie ohne Unterstützung im Sinne von Assistenzsystemen kaum noch.
FUTUR: Wo sollte Ihrer Ansicht nach die Entwicklung von Assistenzsystemen im Bereich Geschäftsprozesse hingehen?
Moos:
Wir diskutieren tatsächlich gerade bei uns, die Mechanismen unserer Geschäftspartner-Risikoanalyse prozessbasiert weiter zu optimieren. Aber ich würde gerne auch das, was wir zusammen mit dem Fraunhofer IPK begonnen haben, weiterführen und präventiv Business-Impact-Analysen durchführen können. Dazu brauchen wir ein System, ähnlich wie ein neuronales Netzwerk, mit dem ich einzelne Prozessabschnitte noch deutlicher miteinander vernetzen kann, um nicht nur ein Lagebild, sondern auch eine Art Vorschau zu generieren: Was passiert, wenn …? Was passiert, als Beispiel, wenn in einer deutschen Gießerei eine Maschine ausfällt? Welche Auswirkungen hätte das auf die Montage in Indien, wenn das entsprechende Bauteil nicht geliefert wird? Was passiert, wenn IT-Systeme ausfallen? Welche »lebensnotwendigen« Fall-Back-Systeme habe ich? Wie weit komme ich damit im Falle eines Falls? Ein Geschäftsprozessmanagementsystem, das die gesamte Lieferkette umfasst, wäre toll. Damit könnten wir auch besser auf unvorhergesehene Ereignisse oder Krisen reagieren. Dann würden wir, bildlich gesprochen, den Eisberg, auf den man zufährt, viel früher sehen und könnten viel besser gegensteuern.