Weiternutzen statt entsorgen

Kreislaufwirtschaft: Durch effektives Rücknahmemanagement und Wiederverwertung können Unternehmen nicht nur Materialkosten sparen, sondern auch ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern.

Jedes Jahr landen in Deutschland 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll: zu viel gekaufte Joghurts, die achtlos im Kühlschrank verschimmeln, oder noch genießbares Obst, das kistenweise von Supermärkten entsorgt wird, weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Auch bei anderen Produkten geht die Wegwerfgesellschaft verschwenderisch mit Ressourcen um. Kleidung, die noch gut erhalten ist und kaum getragen wurde, wird weggeworfen, weil die nächste Billigmode schon im Schaufenster steht. Auch die Wirtschaft produziert jede Menge Abfall: Verpackungen, Metalle, Altgeräte. Statt repariert zu werden, landen unter anderem defekte IT-Geräte häufig im Container – samt wertvoller Rohstoffe wie Kupfer oder Kobalt.

Obwohl die Folgen dieses unbedachten Umgangs mit Ressourcen hinlänglich bekannt sind, verfolgen die derzeitigen Produktions- und Konsumgewohnheiten weiterhin die Logik der Linear- beziehungsweise Wegwerfwirtschaft – es wird produziert, konsumiert und deponiert oder verbrannt. Dabei ist zu bedenken: Die Förderung und Verarbeitung natürlich vorkommender Ressourcen verursacht 50 Prozent der Treibhausgasemissionen und bis zu 90 Prozent des Biodiversitätsverlusts sowie Wasserstresses. Eine Abkehr von dieser Wirtschaftsweise birgt daher das große Potenzial, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und somit eine nachhaltige Zukunft zu ermöglichen.

© Circular Economy Solutions GmbH
Beispiel für Kreislaufkonzepte: Wiederaufbereitung verlängert den Lebenszyklus von Altteilen

Kreislaufwirtschaft als Chance

Einen Ausweg bietet die sogenannte Kreislaufwirtschaft, englisch Circular Economy. Die Idee: Produkte und Geschäftsprozesse werden in Kreisläufen organisiert. Wie das konkret in der Praxis aussieht, zeigt eins der Teilprojekte des Forschungsprojekts »BioFusion 4.0«. Dort wird mithilfe von 3DDruck eine Orthese als Montagehilfe gefertigt, die am Lebenszyklusende wieder biologisch abbaubar ist. Der Clou: Als Grundstoff dienen alte Speisefette. Kostbare Ressourcen, die sonst auf Deponien gelandet und verbrannt worden wären, werden so dem wirtschaftlichen Kreislauf wieder zurückgeführt. Die Circular Economy eröffnet somit eine Chance, unsere Wirtschaftsweise neu zu denken und einen wegweisenden Ansatz für wirtschaftliches Handeln einzuschlagen, der den Schutz von Klima, Umwelt und Artenvielfalt fördert.

Gleichwohl: Insbesondere im Mittelstand fehlen häufig die finanziellen, zeitlichen und vor allem personellen Ressourcen, um die Prinzipien der Circular Economy nicht nur auf technologischer Ebene, sondern auch aus ganzheitlicher, systemischer Perspektive auf Unternehmensebene umzusetzen. Wie aber kann ein Unternehmen sein Geschäftsmodell zirkulär gestalten?

Geschäftsmodelle betrachten

An dieser Stelle bietet das Fraunhofer IPK Unterstützung an. Ein zentraler Teil des Projekts »BioFusion 4.0« besteht darin, Geschäftsmodelle für die biologische Transformation zu entwickeln – dieser Aspekt bildet ein gedankliches Verbindungsnetz über alle Teilprojekte von BioFusion 4.0 hinweg. Dabei wird unter anderem ein allgemeines Vorgehensmodell, inklusive Maßnahmenplan für die nachhaltige und kreislauffähige Transformation von bestehenden Geschäftsmodellen erprobt.

Dieses Vorgehensmodell bildet die Basis, um im jeweiligen Unternehmenskontext geeignete, zirkuläre Geschäftsmodellmuster für die Stärkung der Kreislaufwirtschaft zu identifizieren. Im Gegensatz zum sehr spezifischen Geschäftsmodell eines einzelnen Unternehmens handelt es sich bei Geschäftsmodellmustern um allgemeine Instrumente, die sich durch geschickte Anpassung in jeder Organisation anwenden lassen. Beispiele wären hier das Rücknahmemanagement oder die Herstellung langlebiger und reparaturfähiger Produkte. Geschäftsmodellmuster können also in das individuelle Geschäftsmodell eines Unternehmens integriert werden.

Am Anfang der Begleitung wird zunächst gemeinsam das aktuelle Geschäftsmodell erarbeitet: Was ist das Wertangebot – ein physisches Produkt oder eine Dienst leistung? Was braucht das Unternehmen dafür – welche Ressourcen, Prozesse, Partner und Zulieferer? An wen richtet sich das Angebot – welche Kundensegmente, Kundenbeziehungen oder Wettbewerber existieren? Welche Einnahmequellen gibt es? Wie sieht die Kostenstruktur aus?

Im zweiten Schritt werden mittels spezifischer Fragen die Potenziale zur zirkulären Weiterentwicklung des Geschäftsmodells ausgelotet. So lassen sich beispielsweise im produzierenden Gewerbe durch ein effektives Rücknahmemanagement Materialkosten sparen und Abhängigkeiten von hohen Rohstoffpreisen auf den Weltmärkten reduzieren. Diese Potenziale bilden das Fundament für die abschließende Auswahl von Maßnahmen zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft in dem teilnehmenden Unternehmen.

Zirkularität systemisch denken

Als Werkzeug zur Ausweitung der Kreislaufwirtschaft in Unternehmen dient ein von Fachleuten des Fraunhofer IPK entwickelter Geschäftsmodellmusterkatalog – eine Sammlung bewährter Geschäftsmodellmuster und Instrumente zur Analyse und Gestaltung des Geschäftsmodells anhand der Kreislaufprinzipien:

  • Rethink (umdenken)
  • Reduce (reduzieren)
  • Reuse (wiederverwerten)
  • Repair (reparieren)
  • Refurbish (überholen / auffrischen)
  • Remanufacture (wiederaufarbeiten)
  • Repurpose (umnutzen / weiterverwenden)
  • Recycle (recyceln)
  • Recover (rückgewinnen)

Anhand dieser sogenannten R-Strategien werden im letzten Schritt der Begleitung geeignete zirkuläre Geschäftsmodellmuster aus dem Katalog gewählt, die an einem spezifischen Punkt in der Wertschöpfungskette implementiert werden: Die Reparaturfähigkeit beispielsweise muss schon am Anfang im Designprozess berücksichtigt werden.

Der Musterkatalog hilft Unternehmen, zirkulärer zu werden – und leistet damit einen wertvollen Beitrag für die Bestrebungen Deutschlands, die inländische Wirtschaft zur Circular Economy zu transformieren und den Wandel zu nachhaltigen Produkten sowie Dienstleistungen zu vollziehen. Dank der Methodik des Fraunhofer IPK haben auch kleine und mittlere Unternehmen die Möglichkeit, diese Transformation auf Geschäftsmodellebene zu gestalten – und am Ende ressourcenschonender zu wirtschaften.

Förderhinweis

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb des Rahmenkonzepts »Forschung für die Produktion von morgen« gefördert und vom Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe, Bereich Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT), betreut.