Usability und UX im Gleichgewicht

In der Mensch-Maschine-Interaktion braucht es Empathie und Ideenreichtum, um die Anforderungen und Bedürfnisse der Nutzenden zu befriedigen. Hierbei helfen Designmethoden, deren Einsatz aber nicht dazu führen darf, dass die Usability durch den Fokus auf User Experience an Bedeutung verliert.

© HTW Berlin/Alexander Rentsch
Immersive Skizziertechnik »SelfSketch«, die im BMBF-Projekt ViTraS in einem menschzentrierten Entwicklungsprozess entstanden ist

Das Klagen über unzureichende Benutzungsschnittstellen digitaler Systeme ist so alt wie diese Systemgeneration selbst. Und es ist häufig berechtigt. Wurde bis vor einiger Zeit noch von »Benutzerfehlern« gesprochen und die Verantwortung für Fehlfunktionen auf die Benutzerinnen und Benutzer abgewälzt, setzt sich insbesondere seit der Etablierung menschzentrierter Entwicklungsprozesse die Einsicht durch, dass »Fehlbedienungen « ihren Ursprung in ungenügend gestalteten User Interfaces haben – oft verursacht durch mangelndes Verständnis für die Nutzenden und fehlende konzeptionelle Arbeit. Hierfür zu sensibilisieren ist eine wichtige Aufgabe vor allem in der Ausbildung, und vermutlich gelingt dies keiner Disziplin besser als dem Design in seinen verschiedenen Facetten. Wie wichtig Geduld, Scheitern, Methodenreichtum, Empathie, Kreativität und Ästhetik bei der Suche nach passenden Interaktionskonzepten und Gestaltungslösungen sind, wird hier am intensivsten vermittelt. Es war richtig, solche Perspektiven auch in die Curricula technischer Studiengänge aufzunehmen und es ist unabdingbar dies nachzuholen, wo es noch nicht geschehen ist.

Das Contextual Design nach Karen Holtzblatt gilt derzeit als das gründlichste aller Analyse- und Entwurfswerkzeuge im Rahmen der menschzentrierten Entwicklung. Unter Einsatz ethnographischer Methoden werden hier Daten im Feld gesammelt und in mehreren Analyse-Schritten so verdichtet, dass effiziente Systeme entwickelt werden können, die sich an den tatsächlichen Anforderungen und Arbeitsabläufen von Nutzenden orientieren. Die Orientierung am Wohlbefinden der Nutzenden, welches im Konzept der User Experience (UX) betont wird, ist richtig und entspricht dem Zeitgeist. Sie darf jedoch nicht dahingehend umschlagen, dass die oft als zu sachlich wahrgenommenen Kriterien der Usability, deren ISO-Norm 9241-110 im Jahr 2020 wesentliche Änderungen erfuhr, oder kognitions- sowie wahrnehmungspsychologische Aspekte weniger Beachtung finden oder gar als nicht zeitgemäß ignoriert werden. Um effiziente, ergonomische und mitwachsende User Interfaces zu entwerfen, die ihren Nutzenden möglichst viele Ressourcen für die Lösung der eigentlichen Aufgabe »übrig lassen«, statt diese für die Interaktion mit dem System zu »verbrauchen «, müssen entsprechende theoretische Kenntnisse vorhanden sein. Damit ist ein Plädoyer verbunden, solche Inhalte auch in den Curricula technischer Disziplinen zu verankern. Auch rein auf UX spezialisierte Designagenturen sollten dem sich insbesondere an Effizienz und Effektivität orientierenden Konzept der Usability eine wichtigere Rolle zugestehen.

Johann Habakuk Israel

© HTW Berlin/Alexander Rentsch

studierte Informatik an der TU Berlin und promovierte 2009 am Fraunhofer IPK zum Thema »Hybride Interaktionstechniken des immersiven Skizzierens«. Seit 2015 ist er Professor für Angewandte Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und war hier u. a. an der Gründung des Studiengangs »Informatik in Kultur und Gesundheit« beteiligt. »Im Bereich Mensch-Maschine- Interaktion wird seit vielen Jahren ein Durchbruch der Virtual- beziehungsweise Extended-Reality-Technologie (VR, XR) erwartet«, sagt der Fraunhofer-Alumnus, dessen Forschungsschwerpunkt auf diesen Technologien liegt. »Dass sie sich bisher nicht in dem erwarteten Maß etabliert haben, liegt auch an Problemen der User Interfaces. Interaktionskonzepte und Einsatzpraxis liegen hier oft noch zu weit auseinander. Im BMBF-Projekt ›Partizipation in Stadtplanungsprozessen in virtuellen und realen Räumen (INSPIRER)‹ entwickeln wir deshalb Virtual- und Augmented-Reality-Methoden in engem Kontakt mit den Nutzenden. Unser Ziel ist es hier, Stadtplanungsprozesse demokratischer zu gestalten.«