Kollege Cobot schraubt

Das Motorradwerk der BMW Group in Berlin-Spandau steht gleichzeitig für traditionsreichen Maschinenbau und Hightech-Innovationen. Ein Projektteam von BMW Motorrad und Fraunhofer IPK hat in den vergangenen Monaten eine prototypische Lösung zur automatisierten Verschraubung entwickelt.

Die Automatisierung von Montageprozessen bei BMW Motorrad stellt aufgrund des hochdynamischen Umfelds eine große Herausforderung dar. Bei Montageaufgaben müssen kleine Teile flexibel und feinmotorisch verbaut werden. Das wird am Beispiel der Schraubmontage besonders deutlich: Die Position einer Schraube am Motorrad identifizieren, den Elektroschrauber korrekt ansetzen, die Schraube mit dem erforderlichen Drehmoment fest anziehen – das verlangt einem Roboter komplexe Sensorik und motorische Fertigkeiten ab.

Weil außerdem ständig Menschen im Produktionsumfeld anwesend sind, ist BMW an einem flexiblen Automatisierungsansatz interessiert, der möglichst viel Interaktion mit dem Menschen zulässt. Konventionelle Roboterzellen haben dagegen einen zu großen Platzbedarf, und während des Betriebs ist die Anwesenheit von Menschen im Roboterumfeld nicht erlaubt.

© Dirk Mathesius
© Fraunhofer IPK

Mensch und Maschine im gleichen Arbeitsraum

Motiviert durch diese Ausgangssituation wandte sich BMW Motorrad auf der Suche nach einer flexiblen Automatisierungslösung an die Robotik-Experten des Fraunhofer IPK. Gemeinsam wurde eine Lösung erarbeitet, die einen kooperativen Roboter (auch Cobot genannt) mit einer Kombination von Kraftregelung, Bilderkennung und Steuerungstechnik verbindet. Diese Kombination ermöglicht die flexible Integration in eine dynamische Umgebung.

Cobots sind ausgelegt für eine enge Interaktion zwischen Mensch und Roboter. Der Roboter verfügt über ein internes Sensorsystem, das es Entwicklern von Roboteranwendungen erleichtert, alle relevanten Normen in Bezug auf die Sicherheit bei der Interaktion mit dem kollaborierenden Roboter einzuhalten. So kann auf traditionelle Sicherheitsmaßnahmen wie Maschinenschutzgitter oder Lichtschranken verzichtet werden, Mensch und Maschine können im gleichen Arbeitsraum zusammenarbeiten. Auf diese Art kann der Roboter im BMW Anwendungsfall die Verschraubung vollautomatisiert durchführen, während menschliche Mitarbeitende in unmittelbarer Nähe weitere Arbeitsschritte durchführen – beispielsweise eine Qualitätssicherung weiterer Montageschritte am selben Produkt.

 

Schrauben zuverlässig montieren

Roboterapplikationen mit Kamerasystemen und Algorithmen des Maschinellen Lernens ermöglichen flexibles kraftgeregeltes Verschrauben in einer Umgebung, die nicht vollständig vorhersehbar ist, ob im Fließ- oder Taktbetrieb. Das Bildverarbeitungsmodul lokalisiert das Werkstück im Arbeitsraum, auch wenn dessen Position variabel ist. Die Steuerung des Robotersystems verwendet Kraftregelung, um zu erkennen, dass ein Kontakt zwischen Schrauber und Schraubenkopf hergestellt wurde, sowie um die Kopplung von Schrauber und Schraube aufrechtzuerhalten, bis die Schraube vollständig eingefädelt ist.

 

Mehrwerte durch Mensch-Roboter-Kollaboration

Auf Seiten von BMW Motorrad haben Mitarbeitende der technischen Planung die prototypische Umsetzung des Konzepts begleitet. Die technische Machbarkeit konnte direkt in der laufenden Montage im Werk Berlin getestet werden. Die Fachleute von BMW konstatieren: »Dank der Vorerfahrung des Fraunhofer IPK zur Kombination von Kraftregelung, Bilderkennung und Steuerungstechnik konnten wir die gemeinsamen Ideen zügig in die bestehende Anlage integrieren, sogar während der Serienfertigung. So können wir genau abschätzen, welche Technologien sich in unserer Fertigung verwenden lassen und einen Mehrwert bringen.«

Dieser Mehrwert ist für den Mitarbeitenden und für den Arbeitsablauf nicht zu unterschätzen. Automatisierung mit Mensch-Roboter- Kollaboration (MRK) erleichtert körperlich strapaziöse Arbeiten und schafft Freiraum für anderweitige Aufgaben und Herausforderungen in der Fertigung. Sie trägt zur Prozessverbesserung und Effizienzsteigerung bei – wodurch die Fabrik zu einem reibungsloseren und humaneren Arbeitsumfeld wird.