Der Robotik ein Gesicht geben

Interview mit Matthias Krinke, pi4_robotics GmbH

»Workerbot 1« hieß 2010 der erste Roboter der Berliner Firma pi4_robotics. Heute unterstützt die 8. Generation von Workerbots Industrieunternehmen bei Handling, Montage und Inspektion, aber auch für Gebäudeüberwachung, Concierge-Dienste, Catering oder den Pflegebereich sind die humanoiden Helfer im Einsatz. Gründer und Geschäftsführer Matthias Krinke erklärt im Interview mit FUTUR, dass gute Technik Emotionen braucht – gerade, wenn Mensch und Maschine zusammenarbeiten.

© pi4_robotics GmbH
Concierge-Roboter im Haus der Zukunft in Berlin

futur: Herr Krinke, Ihre Firma pi4_robotics ist besonders für ihre freundlich lächelnden Service-Roboter bekannt. Der Workerbot4 Concierge kann beispielsweise Gäste in Empfang nehmen, einweisen und informieren. Wie wichtig ist eine humanoide Gestalt für die direkte Interaktion mit Menschen?

 

Krinke:

So wie ein Mensch, der einen freundlich anlächelt, den Tag positiv beeinflussen kann, gilt dies auch für Roboter. Denken Sie z. B. an einen Geldautomaten: Hier wird der Service in der Regel einfach, unkompliziert, aber auch emotionslos abgewickelt. Einige Firmen nutzen für den Empfang von Gästen bereits Check-In- Automaten. Aber welches Gefühl hat man als Besucher oder Besucherin, wenn man derart funktional und emotionslos empfangen wird? Auch wenn bei unseren Robotern die Freundlichkeit nur programmiert ist, hinterlässt sie ein angenehmes Gefühl. Und warum soll man einen Service nur funktional gestalten, wenn man ihn auch emotional ansprechend realisieren kann? Wird diese Freundlichkeit mit einer humanoiden Gestalt verknüpft, wirken Roboter überzeugender und werden vom menschlichen Gegenüber besser angenommen als ein Smiley, der einfach nur auf dem Bildschirm eines Geldautomaten erscheint.

 

futur: Neben dem Kundenservice werden Ihre Workerbots auch im Fabrikbereich eingesetzt. Welche Unterschiede in der Interaktion zwischen Roboter und Mensch müssen Sie als Hersteller für diese verschiedenen Anwendungen berücksichtigen, zum Beispiel was Design und Bedienbarkeit angeht?

 

Krinke:

Stationäre und mobile Roboter für Montage- und Logistikaufgaben in Fabriken werden von technisch geschultem Personal bedient, welches generell vorbehaltlos mit ihnen interagiert und z. B. auch selbst Parameter einstellt. Designaspekte spielen hier weniger eine Rolle als technische Funktionalitäten. In nicht-industriellen Anwendungen ist dagegen ein sympathisches Design der Roboter von größerer Bedeutung. Hier steht auch eine selbsterklärende, möglichst sprachunabhängige Bedienung im Vordergrund. Bei unserer neuesten Produktentwicklung, einem Serviceroboter, der in der Pflege assistiert, haben wir deshalb sehr viel Engagement auf das Design, vor allem auf das Interfacedesign verwendet. Wir untersuchen in diesem Kontext auch vertrauensbildende Eigenschaften von Robotern und berücksichtigen ethische Fragen und Anforderungen des Datenschutzes. Solche Aspekte funktional und gestalterisch umzusetzen, ist gerade im Pflegebereich enorm wichtig.

 

futur:  Für ein KMU ist pi4_robotics außergewöhnlich stark in der Forschung. Das hat unter anderem die Zeitschrift »Capital« mit der Auszeichnung als eines der innovativsten Unternehmen Deutschlands 2021 im Bereich Maschinen- und Anlagenbau sowie Zulieferer gewürdigt. Auf welche Ihrer Entwicklungen sind Sie besonders stolz?

 

Krinke:

Jede unserer Entwicklungen hatte und hat ihre Herausforderungen für uns als Team. Eine davon herauszuheben, fällt mir schwer. Als Maschinenbauer stehen wir nicht nur deutschlandweit, sondern auch international im Wettbewerb und können unsere Marktposition nur mit innovativster Technik behaupten. Unter diesem Aspekt versuchen wir bei pi4 technologisch immer ganz vorn dabei zu sein. Technologie darf aber nicht nur Selbstzweck sein, sondern sollte auch immer im Dienst der Umwelt und Lebensqualität stehen. Ich bin besonders stolz darauf, dass wir sehr langlebige Maschinen und Roboter bauen. Die meisten unserer in 28 Jahren produzierten Anlagen sind heute noch im Dienst. Stolz macht mich auch, dass wir mit unserer Technologie die Nutzung erneuerbarer Energien unterstützen und so einen Beitrag leisten, das Überleben unseres Planeten zu sichern. Wir entwickeln z. B. vollautomatische Inspektionssysteme, die die Qualität von Solarzellen, Brennstoffzellenkomponenten und Elektrolyseuren prüfen. Darüber hinaus helfen wir mit unseren Diagnostikrobotern seltene Krankheiten wie ALS frühzeitig zu erkennen, um sie optimal therapieren zu können.

© pi4_robotics GmbH

futur: Mit Robotics4Care erschließen Sie den vom Fachkräftemangel geplagten Pflegesektor. Gibt es Ihrer Meinung nach Grenzen für die denkbaren Anwendungsfelder von Servicerobotern?

 

Krinke:

Die aktuell immer noch vorhandenen emotionalen und ethischen Bedenken werden durch den Fachkräftemangel zwangsläufig überwunden werden, davon bin ich überzeugt. Technologisch werden multimodale Sensorkonzepte, insbesondere integrierte Kraft-Feedback-Systeme den Einsatz von Robotern im Bereich körpernahe Pflegeaufgaben zukünftig noch stärker voranbringen. Größtes Hemmnis ist hier immer noch das Gewicht des Menschen im Verhältnis zum Eigengewicht des Roboters – beides z. B. bei roboterunterstützten Bewegungen behutsam und sicher auszutarieren, ist nicht trivial.

 

futur: Künstliche Intelligenz und Machine Vision haben auch die Robotik in den letzten Jahren revolutioniert. Welche Technologien werden die Mensch-Maschine- Kollaboration in Zukunft prägen?

 

Krinke:

VR- und XR-Technologien werden die Mensch-Roboter-Kollaboration nachhaltig verändern. Hierzu sind insbesondere leichte und angenehm zu tragende Brillen oder Kontaktlinsen sowie spezielle Wearables als Interfaces nötig, die bei einigen Tech-Unternehmen schon in der Entwicklung sind.

Matthias Krinke

© pi4_robotics GmbH

Geschäftsführer PI4_robotics GMBH

Matthias Krinke studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität München und ist seit 1994 Geschäftsführender Gesellschafter der von ihm gegründeten pi4_robotics GmbH. Die Firma mit Sitz im Berliner Stadtteil Wedding ist Technologieführer in den Bereichen Robotik und vollautomatische Bildverarbeitung. Seit 2016 ist der Diplom-Ingenieur auch Geschäftsführender Gesellschafter der Planet Claire GmbH, die im Bereich Künstliche Intelligenz forscht sowie seit 2018 der Robozän Deutschland GmbH, der weltweit ersten Zeitarbeitsfirma für humanoide Roboter. Krinke engagiert sich außerdem als stellvertretender Vorstandsvorsitzender im Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science e.V..