Mit Algorithmen zum neuen Jobprofil

Die Digitalisierung verändert Berufsbilder und Anforderungen in der Produktion. Ein KI-basierter Rollennavigator soll Industrieunternehmen helfen, ihre Mitarbeitenden individuell fit für die vernetzte Fertigung zu machen.

© Fraunhofer IPK/ Larissa Klassen

Digitale Transformation bedeutet mehr, als digitale Tools und Prozesse auszuwählen und in ein Unternehmen einzuführen. Zu einer erfolgreichen Digitalisierungs­strategie gehört auch, Mitarbeitende für neue Aufgaben in der digitalen, vernetzten Produktion zu qualifizieren. Doch wie entscheidet man, welche Mitarbeitenden sich am besten für welche neue Rolle eignen? Welche Fortbildungen benötigen sie, um das notwendige Wissen für die veränderten Aufgaben zu erwerben? Und wie findet man im unübersichtlichen Weiterbildungsmarkt geeignete Lernangebote?

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – die Kernzielgruppe des Projekts KIRA Pro – stellen diese Fragen vor große Herausforderungen. Nur selten verfügen sie über ausreichend Kapazitäten, um sich systematisch mit Kompetenzentwicklung zu beschäftigen. Häufig ist auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens hinsichtlich der digitalen Transformation nicht ausgereift. Das erschwert es, zielgerichtet zu bewerten und abzuwägen, in welchen Bereichen mittelfristig Kompetenzen auf- und ausgebaut werden müssen. 

KIRA Pro nähert sich dem Problem mit Künstlicher Intelligenz, die Unternehmen bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Ein Rollennavigator soll in einer großen Menge von Weiterbildungsangeboten für das Unternehmensziel geeignete und aufeinander auf-bauende Angebote identifizieren, aus denen sich für einen bestimmten Mitarbeitenden ein individueller und branchenspezifischer Lernpfad ableiten lässt.

Das funktioniert so: Ein Unternehmen hat auf Basis seiner Transformationsstrategie ermittelt, dass künftig das Rollenprofil des Multi-Maschinenbedieners an Bedeutung gewinnt. Die notwendigen Kompetenzen für diese Ziel-Rolle sollen beim vorhandenen Personal aufgebaut werden, indem Mitarbeitende mit passenden Vorkenntnissen gezielt weitergebildet werden. Der Rollennavigator wird mit den bestehenden Qualifikationen der Mitarbeitenden gefüttert. Dann überprüft er, welche Trainingsangebote die verschiedenen Beschäftigten vom Stand ihres aktuellen Wissens und Könnens zur notwendigen Qualifikation für die Ziel-Rolle führen können. So entsteht für jeden Mitarbeitenden ein Lernpfad mit verschiedenen passgenauen Qualifikationsmodulen, die ihn in Summe fit für die Ziel-Rolle machen würden. 

KIRA Pro generiert Lernpfade mit verschiedenen Weiterbildungen, die in Summe fit für eine neue Rolle machen.

Da die Mitarbeitenden unterschiedliche Vorkenntnisse mitbringen, ermittelt der Rollennavigator, dass die Lernpfade für die verschiedenen Kolleginnen und Kollegen sehr heterogen ausfallen würden – in Länge und Komplexität. Beispielhaft ist das in der Grafik zu sehen: Die Programmiererin Sabine müsste einen Lernpfad mit Umwegen und Seitenarmen absolvieren, um sich als Multi-Maschinenbedienerin zu qualifizieren. Der Mechatroniker Peter hingegen könnte auf einem geradlinigen Lernpfad mit deutlich weniger Stationen für die Ziel-Rolle ausgebildet werden. 

Eine solches Matching zwischen Unternehmensstrategie, vorhandenen Kompetenzen und verfügbaren Weiterbildungsangeboten erleichtert die Navigation im Weiterbildungsmarkt und entlastet Nutzerinnen und Nutzer von manuellen Suchstrategien. Der Algorithmus, der in KIRA Pro entsteht, wird bei der Auswahl der Angebote Präferenzen und Lernstrategien der Weiterzubildenden berücksichtigen. Dabei können etwa Schulungen, Coachings, E-Learnings oder Praxiseinheiten berücksichtigt werden. Das Projekt trägt somit auch dem Trend zu kleineren Lerneinheiten und neuen Lernformaten Rechnung. Die Weiterbildungsangebote speisen sich aus unterschiedlichen Quellen renommierter Lernpartner. Ein zukünftiges Ziel besteht in der userfreundlichen Integration der 3000 Berufe und 12 000 Fähigkeiten des europäischen ESCO-Rahmenwerks in die Software. 

Das Projekt bringt ein Konsortium aus Weiterbildungsanbietern und KMU mit Transformationsambitionen zusammen. Die Peers Solutions GmbH verbindet Kompetenzen im HR- und Weiterbildungsbereich mit KI-Erfahrung im produzierenden Gewerbe. Die FBT Feinblechtechnik GmbH und die Harms & Wende GmbH & Co. KG bringen Innovationskraft und langjährige Erfahrung im Maschinenbau mit. Die Zusammenarbeit mit Weiterbildungsplattformanbietern soll den industriellen Partnern ermöglichen, gemeinsam mit dem Fraunhofer IPK betriebliche Transformations- und Kompetenzentwicklungsstrategien zu entwickeln und diese in die Praxis zu überführen.