Digitaler Produktpass

Was ist ein digitaler Produktpass?

Ein digitaler Produktpass (DPP) ist die technische Bereitstellung produktspezifischer Daten, die Informationen über die Bestandteile eines Produkts, wie Komponenten, Materialien und chemische Substanzen, enthalten. Ergänzend dazu kann der digitale Produktpass auch wichtige lebenszyklus- und nachhaltigkeitsrelevante Angaben umfassen, beispielsweise zur Reparierbarkeit, zu Ersatzteilen oder zur fachgerechten Entsorgung. Die Daten werden entlang des gesamten Produktlebenszyklus erfasst und stehen in jeder Phase für verschiedene Zwecke zur Verfügung, beispielsweise zur Optimierung von Design und Herstellung, zur Unterstützung bei Nutzung und Wartung oder zur Planung einer ressourcenschonenden Entsorgung. Die entsprechenden Daten müssen digital abrufbar sein und sich einem bestimmten Produkt oder Asset zuordnen lassen.

JTC 24

Digital Product Passport – Framework and System

Die technischen Grundlagen werden aktuell von über 300 Experten aus 20 EU-Mitgliedsstaaten sowie der Schweiz, Großbritannien und Norwegen unter der Leitung des Fraunhofer IPK in Form von harmonisierten europäischen Normen (hEN) vom CEN CLC JTC 24 entwickelt.

Welche Produkte sind von einem digitalen Produktpass betroffen?

Die schrittweise Einführung des DPP wird durch gesetzliche Vorgaben und branchenspezifische Initiativen spezifiziert. Bereits ab Februar 2025 gelten erste verbindliche Anforderungen für Batterien gemäß der EU-Batterieverordnung. In den Jahren darauf sollen weitere Produktkategorien wie Textilien, Elektronikgeräte, Möbel und Baumaterialien folgen. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig mit den Anforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten des DPP auseinandersetzen, um sicherzustellen, dass sie die gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig erfüllen. Andernfalls riskieren sie, ihre Produkte nicht mehr auf dem EU-Markt anbieten zu können. Betrachten Unternehmen den DPP jedoch nicht nur als reine Erfüllung regulatorischer Vorgaben, lassen sich zusätzlich Potenziale für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle erschließen.

 

Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR)

Die bereits beschriebenen, im DPP enthaltenen Informationen, die sogenannten DPP-Daten, beschreiben das »Was«. Das »Wie« wird hingegen durch die »Ecodesign for Sustainable Products Regulation« (ESPR) beschrieben. Die ESPR beschreibt ein produktübergreifendes DPP-System, das durch produktspezifische Verordnungen und Regelwerke ergänzt wird. Es wird horizontal für alle Produktgruppen und Gesetzgebungen entwickelt, einschließlich eines zentralen EU-DPP-Registers.

Im Rahmen der ESPR, die am 18. Juli 2024 in Kraft trat, wird die Einführung des digitalen Produktpasses Schritt für Schritt für verschiedene Produktkategorien verpflichtend. Produkte, die in den Geltungsbereich der ESPR fallen, müssen einen DPP aufweisen, um auf dem EU-Markt verkauft werden zu können. Dieser ist durch den jeweiligen Inverkehrbringer des Produkts bereitzustellen, muss jedoch auch die relevanten Informationen vorheriger Partner in der Lieferkette integrieren.Damit ist die EU Vorreiter. Ähnliche Initiativen mit unterschiedlichen Zielsetzungen sind jedoch mittlerweile weltweit im Aufbau. Die ESPR löst die bisherige Ökodesign-Richtlinie ab und zielt auf eine bessere Kreislaufführung von Produkten ab. Dabei werden auch Reparierbarkeit und Langlebigkeit stärker berücksichtigt.

 

DPP-Projekte

Um die Einführung des DPP voranzutreiben, arbeiten verschiedene Initiativen und Projekte an seiner konzeptionellen und praktischen Ausgestaltung. Im Rahmen des Projekts „Battery Pass“ wurden für den Batteriesektor die branchenspezifischen Anforderungen an die DPP-Daten sowie ein Architekturvorschlag des DPP-Systems entwickelt und technische Standards anhand eines Rahmenwerks identifiziert. Die Ergebnisse wurden einerseits in der europäischen Standardisierung aufgegriffen und werden andererseits aktuell im Projekt »BatteryPass-Ready« weiterentwickelt. Ziel des Projekts ist, ein DPP-Testsystem für Economic Operator und IT-Dienstleister zu entwickeln.

Im Rahmen des europäischen Projekts CIRPASS wurden Roadmaps für DPP-Prototypen in den Branchen Elektronik, Batterien und Textilien entwickelt. In der Folgeinitiative CIRPASS 2 werden konkrete Ansätze zur praktischen Umsetzung erwartet.

Eine technische Lösung für den sicheren und standardisierten Datenaustausch ist das Datenökosystem Catena-X. Es ist insbesondere für die Automobilbranche relevant ist und in dem die DPP Working Group an der konkreten Umsetzung arbeitet. Es ist insbesondere für die Automobilbranche relevant und die DPP Working Group arbeitet dort an der konkreten Umsetzung. In anderen Branchen entstehen ähnliche Initiativen, etwa mit Aerospace-X für die Luft- und Raumfahrtindustrie, Construct-X für die Bauwirtschaft oder Cir4fun für die Möbelindustrie.

Digitaler Produktpass: Auswirkungen auf Unternehmen

Die Einführung eines (DPP) bringt für Unternehmen weitreichende Veränderungen mit sich. Diese erfordern organisatorische und prozessuale Anpassungen sowie Änderungen an IT-Systemen, Infrastruktur und Datenmanagement. Neben der unsicheren regulatorischen Dynamik sind es vor allem die drei Themen Datenverfügbarkeit, Datenqualität und prozessuale Neuausrichtung, die Unternehmen vor Herausforderungen stellen.

Datenverfügbarkeit

Ein zentrales Thema ist die Datenverfügbarkeit: Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass DPP-relevante Daten wie Produktdaten auf Batch- oder Instanzebene bislang nicht vollständig, in geeigneter Form oder mit ausreichender Detailtiefe erfasst werden. Insbesondere Informationen aus der Lieferkette wie Materialzusammensetzungen oder Fertigungsprozesse sind häufig schwer zugänglich. Dies erfordert den Aufbau neuer Schnittstellen sowie eine enge Zusammenarbeit mit Zulieferern und Partnern.

Datenqualität

Auch die Datenqualität ist von entscheidender Bedeutung. Um den digitalen Produktpass sinnvoll nutzen zu können, müssen bestehende Daten validiert, konsolidiert und in ein einheitliches Format überführt werden. Dies kann umfangreiche Anpassungen bestehender IT-Systeme und Prozesse erforderlich machen. So müssen Systeme zur Erfassung, Verwaltung und Bereitstellung von Produkt- und Materialdaten so erweitert werden, dass sie sowohl interne als auch externe Datenquellen integrieren können. Dies kann den Einsatz neuer Softwarelösungen oder die Erweiterung bestehender Systeme erforderlich machen.

Prozessuale Neuausrichtung

Die Umsetzung des DPP erfordert darüber hinaus oft eine prozessuale Neuausrichtung. Unternehmen müssen Verantwortlichkeiten klar definieren und sicherstellen, dass alle relevanten Abteilungen – von der Produktentwicklung und Produktion bis hin zur IT und Compliance – eng zusammenarbeiten. Wer im Unternehmen ist für die Ausstellung und Befüllung des DPP verantwortlich? Und wer übernimmt das Management nach dem Produktverkauf? Klare Zuständigkeiten sind entscheidend, um den DPP effizient und rechtskonform zu verwalten.

Welche Mehrwerte bietet der digitale Produktpass?

Der digitale Produktpass bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile, die über die Erfüllung regulatorischer Vorgaben hinausgehen. Er ermöglicht eine effizientere Nutzung von Produkt- und Materialdaten und hilft Unternehmen, ihre wirtschaftlichen und ökologischen Potenziale voll auszuschöpfen. Bei richtiger Umsetzung werden Prozesse datengetrieben, automatisierbar und zukunftsfähig. Die wichtigsten Mehrwerte im Überblick:

Kreislaufwirtschaft

Der DPP ist wichtig für die Kreislaufwirtschaft. Durch die Erfassung chargen- und instanzspezifischer Daten wie Reparatur- und Wartungsinformationen können Unternehmen ihre Produkte effizienter warten, reparieren und wiederverwenden. Das erhöht die Zirkularität und Nachhaltigkeit der Produkte.

Datentransparenz

Der digitale Produktpass fördert den unternehmensübergreifenden Datenaustausch, indem er eine einheitliche Bereitstellung von Informationen ermöglicht. Dadurch wird die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette unterstützt und die Transparenz nachhaltigkeitsrelevanter Daten in den Lieferketten gleichzeitig gesteigert.

Datenverfügbarkeit

Die Digitalisierung von Produktinformationen ermöglicht eine durchgängige Bereitstellung und Nutzung von Daten entlang des gesamten Produktlebenszyklus und schafft Transparenz. Der DPP wächst dabei mit dem Produkt mit und bleibt jederzeit verfügbar, sodass keine Informationen entlang der Wertschöpfungskette verloren gehen.

Produktnachhaltigkeit

Mithilfe des DPP können Daten aus der Nutzungs- und End-of-Life-Phase gesammelt und als Feedback in die Designphase zurückgespielt werden. Diese Einblicke helfen Unternehmen, Materialien ressourcenschonender auszuwählen, Produkte nachhaltiger zu gestalten und deren Langlebigkeit zu erhöhen.

Compliance und Reporting

Die standardisierte Speicherung und Verwaltung von Material- und Produktdaten ermöglicht es Unternehmen, regulatorische Vorgaben effizienter zu erfüllen und Synergien zwischen verschiedenen Vorschriften zu nutzen.

Geschäftsmodelle

Der digitale Produktpass schafft Potenziale für neue Geschäftsmodelle wie kundenspezifische Datenbereitstellung, den Verkauf von Funktionalitäten anstelle von physischen Produkten, Wiederverwendung im Second Life, effizientere Reparaturservices und optimierte Rückführungsstrategien am Ende des Produktlebenszyklus (End-of-Life).

Unsere Unterstützung auf Ihrem Weg zum digitalen Produktpass

Entscheidend ist, das Instrument praxisnah, strategisch und anschlussfähig zu gestalten – mit einem klaren Verständnis für die Anforderungen der industriellen Realität. Wir begleiten Sie Schritt für Schritt bei der Einführung und Umsetzung des digitalen Produktpasses. Dabei setzen wir auf bedarfsorientierte Methoden und praxisnahe Ansätze, um sicherzustellen, dass Sie die Potenziale des DPP voll ausschöpfen und nachhaltige Mehrwerte für Ihr Unternehmen schaffen.

1. Definition eines Zielbilds

Bevor wir mit der Detailanalyse beginnen, entwickeln wir gemeinsam mit Ihnen ein klares Zielbild. Dieses dient als Orientierung und Entscheidungsgrundlage für die weiteren Schritte.

2. Analyse Ihrer individuellen Anforderungen

Gemeinsam mit Ihnen identifizieren wir die internen und externen Bedarfe, die für die Einführung eines digitalen Produktpasses relevant sind. Dabei berücksichtigen wir regulatorische Vorgaben und branchenspezifische Entwicklungen.

3. Entwicklung einer maßgeschneiderten Capability Map

Auf Basis der identifizierten Anforderungen erstellen wir eine strukturierte Übersicht der erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen. Diese Capability Map bildet die Grundlage für die Umsetzung des DPP und unterstützt Sie dabei, Ihre Prozesse gezielt auszurichten.

4. Identifikation geeigneter Lösungen

Wir unterstützen Sie dabei, bestehende und neue Lösungen für die Umsetzung der Capability Map zu identifizieren und sie hinsichtlich ihrer Skalierbarkeit und Zukunftsrobustheit neutral zu bewerten. Dazu gehören insbesondere Lösungen zur automatisierten Erstellung des Digital Product Pass, zur effizienten Datenakquise sowie zur unternehmensweiten Datenvernetzung.

5. Erstellung einer bedarfsorientierten Roadmap

Gemeinsam mit Ihnen entwickeln wir einen detaillierten Fahrplan für die schrittweise Umsetzung. Dieser gibt Ihnen Orientierung und ermöglicht eine strukturierte Integration des digitalen Produktpasses sowie der dazugehörigen Infrastruktur in Ihre Unternehmensprozesse.

6. Durchführung von SWOT-Analysen

Gemeinsam mit Ihnen bewerten wir das DPP-Ökosystem in Ihrem Unternehmen, ermitteln Potenziale und Risiken und leiten daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab.

7. Datenpunkt-Analyse und Bewertung der Datenverfügbarkeit

Wir analysieren bestehende Datenpunkte und bewerten sie hinsichtlich regulatorischer Vorgaben wie der Batterieverordnung. Darüber hinaus identifizieren wir relevante Datenlieferanten und führen eine Gap-Analyse zur Datenverfügbarkeit durch. So schaffen wir eine fundierte Grundlage für die Datenerhebung im Kontext des digitalen Produktpasses.

8. Erarbeitung praxisorientierter Umsetzungsstrategien

Wir entwickeln verschiedene Strategien zur Umsetzung des DPP und bewerten diese anschließend gemeinsam mit Ihnen. Dabei ordnen wir die Strategieansätze gezielt den Meilensteinen Ihrer Roadmap zu, um eine strukturierte Umsetzung sicherzustellen. Darüber hinaus entwickeln wir Konzepte, bieten gezielte Schulungen an und führen eine Potenzialanalyse für den Einsatz automatisierter Datenanalysen und künstlicher Intelligenz durch.

9. Gestaltung von Prozessen

Digitale Produktpässe ermöglichen die nahtlose Integration von Informationen aus den Bereichen Entwicklung, Produktion und Service. Wir unterstützen Sie bei der Ausgestaltung durchgängiger Wertschöpfungsprozesse und Datenflüsse, ohne dass zusätzliche Insellösungen erforderlich sind. Dabei ist Interoperabilität stets unser leitendes Prinzip.

10. Prototypenbau und technische Implementierung

Auf Basis der erarbeiteten Strategien unterstützen wir Sie bei der technischen Realisierung des digitalen Produktpasses. Dazu zählen die Entwicklung erster funktionsfähiger Prototypen, die Integration in bestehende Systeme und die Ausgestaltung der erforderlichen IT-Infrastruktur. Darüber hinaus begleiten wir Sie bei der Datenmodellierung, dem Design geeigneter Schnittstellen und der Anbindung relevanter Systemkomponenten.

Digitaler Produktpass am Fraunhofer IPK

Der digitale Produktpass wird am Fraunhofer IPK aus zwei Richtungen betrachtet.

 

Kontakt

Digitale Produktpässe

Dr. Kai Lindow und sein Team erarbeiten im Auftrag der Industrie und in enger Zusammenarbeit mit ihr praktische Umsetzungslösungen für digitale Produktpässe.

 

Kontakt

Batteriepass

Prof. Thomas Knothe ist als Chair und Mitglied europäischer Gremien zum Batteriepass Ihr Ansprechpartner für alle Anliegen zu diesem Thema, insbesondere zur Umsetzung regulatorischer Vorgaben.