Wohlstand hat seinen Preis. Mit dem Lebensstandard vieler Menschen auf der ganzen Welt steigt auch der Konsum von Ressourcen an. Die hoch industrialisierten Länder haben eine besonders schlechte Bilanz: Jede und jeder Deutsche verbraucht im Schnitt 16,1 Tonnen an Rohstoffen im Jahr. Das ist doppelt so viel wie der globale und immerhin zehn Prozent mehr als der europäische Durchschnitt. Gleichzeitig produzieren wir Deutschen jedes Jahr 412 Millionen Tonnen Abfall. Das entspricht fast fünf Tonnen Abfall pro Person.
Global gesehen gehen diese Besorgnis erregenden Trends weiter. Entwicklungs- und Schwellenländer bauen größtenteils auf die an Wachstum gekoppelte Industrialisierung und bedienen sich derselben Mittel wie wir, um ihrer wachsenden Bevölkerung einen akzeptablen Lebensstandard zu ermöglichen. Legt man den aktuellen Stand der Produktionstechnik zugrunde, wird allein die Produktion von Stahl, Aluminium, Plastik und Zement im 21. Jahrhundert etwa 800 Gigatonnen CO2 verursachen. Damit wären die Emissionen aus diesen vier Materialströmen bereits genug, um die global zur Erreichung des Zwei-Grad-Zieles erlaubten Emissionen aufzubrauchen.
Wissenschaft, Regierungen und Zivilgesellschaft stehen deshalb vor der Frage: Wie können wir heute unseren Wohlstand ermöglichen, ohne zukünftigen Generationen die Grundlagen eines lebenswerten Daseins zu nehmen?
Eine der Hauptursachen sowohl für den enormen Ressourcenverbrauch als auch die Menge an Abfall ist unsere lineare Wirtschaftsweise: Wir entnehmen Rohstoffe, produzieren daraus Güter, nutzen diese und entsorgen sie abschließend. Um die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, müssen wir diesen Prozess neu denken. Aus diesem Bestreben heraus entstand das Konzept der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy).
Die Circular Economy ist ein regeneratives System von Produktion und Verbrauch. Innerhalb dieses Systems werden Energie- und Materialkreisläufe verlangsamt und geschlossen. Dadurch wird der Ressourcen- und Energieverbrauch reduziert, während gleichzeitig weniger Abfall und Emissionen anfallen.
Die Idee dahinter ist es, Rohstoffe auf effizientere Weise zu nutzen und sie einem Kreislauf zuzuführen, durch den sie so lange wie möglich für uns wertvoll sind. Nur wenn es uns gelingt, benutzte Materialien in einen solchen Kreislauf zurückzuführen, können wir mittelfristig Ressourcenverbrauch und wirtschaftliches Wachstum voneinander entkoppeln. Das würde nicht nur die Umwelt entlasten, sondern auch mehr Menschen größeren Wohlstand ermöglichen.
Um einen systemischen Ansatz in einem gesamtwirtschaftlichen Kontext zu entwickeln, rief die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) im Jahr 2019 die Circular Economy Initiative Deutschland ins Leben. Sie wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und sucht in einem sektor- und ressortübergreifenden Dialog mit Wissenschaftlerinnen und Vertretern von Wirtschaft und Zivilgesellschaft nach Lösungsansätzen für die Frage: Wie schaffen wir die systematische Trendwende vom linearen zum zirkulären Wirtschaften?
Mit dabei sind auch das Fraunhofer IPK und das IWF der Technischen Universität Berlin. Ziel der Initiative ist es, eine Roadmap zu erarbeiten. Diese soll zunächst ein Leitbild für eine zirkuläre Wertschöpfung beschreiben. Auf einem weniger abstrakten Niveau soll sie langfristige Ziele enthalten, um die Ressourcenproduktivität zu erhöhen. Um schließlich besonders konkret zu werden, soll die Roadmap auch geeignete Steuermaßnahmen für eine etablierbare und substantielle Kreislaufwirtschaft identifizieren.
Wie die Kreislaufwirtschaft in der Realität aussieht, zeigt das Verfahren des Remanufacturing, auch Refabrikation genannt. Im Prinzip bezeichnet man damit einfach die Idee, ein bereits genutztes Produkt zu reparieren oder aufzuarbeiten, um seine ursprüngliche Qualität wiederherzustellen.
Dadurch kann ein großer Teil des Rohmaterials und der Energie eingespart werden, die für die Herstellung eines neuen Produktes notwendig gewesen wären. Neben der zusätzlichen Möglichkeit günstigere Ersatz- und Austauschprodukte anbieten zu können und dadurch den Produktlebenszyklus zu verlängern, kann durch die Kreislaufführung von Rohstoffen ein bedeutende Anteil der CO2-Emissionen eingespart werden.
Trotz der offensichtlichen Vorteile des Remanufacturing werden bislang auch in entwickelten Märkten selten mehr als fünf Prozent der Waren dadurch gewonnen, selbst bei besonders dafür geeigneten Produktfamilien wie beispielsweise Smartphones oder Haushaltsgeräten, aber auch Komponenten aus Maschinen und Anlagen.