Konsistente Daten – bessere Prozesse

In heutigen Produktionssystemen sind selbst kleine Änderungen oft zeitaufwendig, kostenintensiv und fehleranfällig. Nicht so, wenn Entwicklung, Planung, Inbetriebnahme und Produktion integriert und gemeinsam verstanden werden.

Wie eine durchgängige digitale Prozesskette in der Produktion gelingen kann, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IPK im Projekt »Vom konventionellen Produktionswerk zum resilienten Kompetenz-Werk durch Industrie 4.0 (Werk 4.0)«. Gemeinsam mit zwölf Partnern, darunter TU Berlin, Mercedes Benz AG und Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science e.V. (WvSC), entwickeln sie flexible Fertigungslösungen, mit denen Hersteller schneller auf Technologieveränderungen und neue Marktanforderungen reagieren können. Die Grundidee dabei: Die Phasen der Produktentstehung mit ihren spezifischen Prozessen, Werkzeugen und Sprachen werden nicht mehr als lose gekoppelte Schritte behandelt. Stattdessen werden sie entlang einer digitalen Prozesskette integriert, in der alle notwendigen Daten direkt weitergegeben werden. Dadurch sollen produzierende Unternehmen zukünftig Prozesse flexibler anpassen, Produkte rascher entwickeln und ihre Produktion insgesamt resilienter gestalten können.

Der Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung liegt in der digitalen Datendurchgängigkeit der Informationen über alle beteiligten Prozesse und IT-Systeme hinweg: Informationen sollen über die gesamte Nutzungsdauer in der Form vorliegen, in der sie benötigt werden. In bestehenden Produktionssystemen wird dies durch eine Vielzahl von Faktoren erschwert. Informationen aus Produktentwicklung, Produktionsplanung, Produktionssteuerung und Herstellung werden in unterschiedlichen, für den jeweiligen Zweck entwickelten IT-Systemen gespeichert und verarbeitet. Dadurch liegen voneinander abhängige und in manchen Fällen sogar dieselben Informationen in unterschiedlichen Datenformaten vor. Sollen kleine Anpassungen vorgenommen werden, zum Beispiel ein Bauteil geringfügig modifiziert werden, entstehen ein hoher Kommunikationsaufwand und manuelle Datenpflege, ehe die Informationen in Fertigungsparameter überführt und die Anpassungen in der finalen Herstellung berücksichtigt werden können. Ein höherer Zeitaufwand, zusätzliche Kosten und Fehler können die Folge sein. 

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Elektrifizierung und Digitalisierung verändern die Automobilindustrie grundlegend. Ziel des Projekts Werk 4.0 ist es, die Fähigkeiten der herstellenden Unternehmen in Deutschland zu stärken, um die Chancen und Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Um dem entgegenzuwirken, wird im Rahmen des Projekts »Werk 4.0« eine digitale Prozesskette entwickelt, die alle beteiligten Domänen integriert. Exemplarisch wenden die Forschenden ihre Erkenntnisse auf den Fertigungsprozess in einem Partnerunternehmen an – als spätere Referenz für weitere industrielle Anwendungen. Dabei analysieren sie Aktivitäten, Daten und verwendete IT-Systeme, identifizieren nötige Funktionalitäten und setzen diese in technologische Komponenten um. Dafür verwenden sie offene Standards zum Beschreiben, Speichern und Transferieren der Daten, sodass ein hohes Maß an Generalisierung und Übertragbarkeit möglich bleibt. 

Im ersten Schritt wird das jeweilige Produkt modellbasiert in einem standardisierten Austauschformat beschrieben. Aus dieser Produktbeschreibung werden anschließend automatisiert Produktionsparameter wie Roboterkoordinaten oder geometrische Maße abgeleitet und in einem einheitlichen Datenset zusammengeführt. Diese Datensets werden in einem zentralen Datenmanagement basierend auf Standards der IDTA (Industrial Digital Twin Association) und OPC UA (Open Platform Communications Unified Architecture) verwaltet. Verschiedenste Fertigungsprozesse wie CNC-Fräsen, Schrauben, Kleben oder roboterbasiertes Bolzenschweißen werden mit ihren Anlagen direkt angebunden, sodass die gespeicherten Parameter in den laufenden Produktionsprozess und das zugehörige Steuerungsprogramm übernommen werden können. Diese nahtlose Verbindung – von der Produktentwicklung bis in den finalen Produktionsprozess – erlaubt es, vielfältige Prozessanpassungen automatisiert durchzuführen: Prozessänderungen können schneller freigegeben und die notwendigen Parameter über alle Freigabe- und Qualitätssicherungsschritte hinweg direkt in die Maschinenprogramme eingebracht werden.

Eine derart durchgängig digitale Prozesskette trägt auch zur Resilienz von Produktionssystemen bei: also der Fähigkeit, auf externe Impulse reagieren und sich auf neue Bedingungen einstellen zu können, um einen stabilen Zustand aufrechtzuerhalten. Sie hilft, kommunikationsbedingte Missverständnisse präventiv zu minimieren, weil Informationen prozessweit eindeutig vorliegen und zugänglich sind. Außerdem wird die Reaktionsfähigkeit der Systeme erhöht, weil automatisierte Datenverarbeitung und digitale Durchgängigkeit das Einsteuern von Prozessanpassungen deutlich beschleunigen. Da diese datenbasierten Anpassungen und ihre Verläufe zentral für alle Beteiligten einsehbar sind, ermöglichen sie nicht zuletzt kontinuierliche Prozessverbesserungen und Lerneffekte. Wie das alles funktioniert, können Interessierte voraussichtlich ab Mitte 2025 in einem Reallabor erleben. 

Förderhinweis

Dieses Projekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in der Förderrichtlinie »Digitalisierung der Fahrzeughersteller und Zulieferindustrie« im Förderrahmen »Zukunftsinvestitionen Fahrzeughersteller und Zulieferindustrie« gefördert und vom Projektträger VDI Technologiezentrum GmbH betreut.

Werk 4.0

Die Automobilindustrie ist im Wandel. Elektrifizierung und Digitalisierung verändern sie grundlegend. Mehr zum Projekt »Vom konventionellen Produktionswerk zum resilienten Kompetenz-Werk durch Industrie 4.0«