Das ist sehr unterschiedlich. Es fängt bei kleinen und mittleren Unternehmen mit der Überlegung an: Wie kann ich da überhaupt mitmachen? Was bedeutet das für mich? Für uns ist die Teilhabe des Mittelstands ein großes Thema, vor allem angesichts der Frage, wie wir es schaffen, komplexere, hoch innovative und interoperable Datenökosysteme zu bauen. Das ist keine Aufgabe, die ein KMU allein machen könnte, sondern das ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Aus dem Spektrum kommen natürlich viele Fragen, Ideen und Initiativen. Diese miteinander zu verbinden, das ist eigentlich die große Kunst. Aber ich finde es toll, dass wir es in Deutschland geschafft haben, insbesondere mit Catena-X und Manufacturing-X, Schwung hinzubekommen, dass es dazu jetzt auch den Willen gibt. Das ist ein großer Schritt, den wir in den letzten Jahren gemacht haben.
Was der Industrie sehr wichtig ist, ist Interoperabilität. Dazu gehören Themen wie Datenintegration und Datenaustausch, aber auch Datenhoheit und Datensicherheit. Unternehmen sollten bei dem Austausch von Daten über Industrial Data Spaces immer entscheiden können, wem sie welche Daten schicken, wie die Daten gesendet werden und dass die Daten, die sie bekommen, von hoher Qualität sind. Was man auch immer sagen muss, weil es ja ein Industriethema ist, kein politisches und kein Forschungsthema: Wie ist der Mehrwert am Ende für die Unternehmen? Unternehmen müssen erkennen, dass sie durch Datenräume bessere Dienstleistungen erhalten, aber auch Dienstleistungen anbieten können. Neue Geschäftsmodelle durch Datenaustausch spielen eine wichtige Rolle. Dazu gehören auch Themen wie Standardisierung und Kompatibilität.
Wir wissen aus vielen Kundengesprächen, dass sich Unternehmen immer die Frage stellen, wie sie mit Daten auch tatsächlich Wertschöpfung betreiben können – und das auf drei Ebenen: innerbetrieblich, wenn sie verschiedene Datenquellen miteinander intern vernetzen; überbetrieblich, wenn Unternehmen zum Beispiel mit Zulieferern in einen Datenraum eintreten und drittens, wenn sich Unternehmen branchenübergreifend über Datenräume vernetzen. Die Projekte in den Gaia-X-Domänen sowie insbesondere Catena-X sind bei der Vernetzung in den Lieferketten schon weit vorangeschritten. Mit Aerospace-X versuchen wir gerade, dieselben Mechanismen auch auf die Luftfahrtindustrie zu übertragen. Die Frage, die uns Unternehmen dabei stellen, ist: Welchen Produktivitätsvorteil im Sinne von Wertschöpfungsvorteil haben wir? Da müssen wir die Unternehmen abholen.
Es gibt den Slogan, dass Nachhaltigkeit ohne Digitalisierung nicht möglich ist. Dem kann man grundsätzlich zustimmen, insbesondere wenn man Aspekte der Regulierung sieht. Dazu gehören zum Beispiel die Corporate Sustainability Reporting Directive, das Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz, aber auch digitale Produktpässe. Was hier eine ganz wichtige Rolle spielt, ist, dass nicht nur Unternehmen innerhalb der Wertschöpfungskette, sondern auch nachgelagerte Unternehmen wie zum Beispiel Recyclingfirmen, Reverse-Logistics-Unternehmen oder Demontagefabriken in der Lage sind, Produkt- und Prozessdaten über den Lebenszyklus eines Produkts zu erhalten, um am Ende die richtige Entscheidung zu treffen, ob zum Beispiel etwas wiederverwertet, weiterverwendet oder recycelt werden kann. Das betrifft auch das Reporting. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive sind Unternehmen gezwungen, über Nachhaltigkeitsaspekte zu berichten, und das nicht nur im Rahmen ihrer eigenen Tätigkeit, sondern auch in Bezug auf vorgelagerte und nachgelagerte Prozesse. Das sind die sogenannten Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen. Hier müssen Unternehmen sich darauf verlassen können, dass sie die Informationen, die sie von ihren Zulieferern bekommen, valide in ihr eigenes Reporting integrieren können. Das Thema Compliance spielt hier ganz stark mit rein, also wie kann ich auch über Datenräume sicherstellen, dass die Daten, die ich vom Zulieferer des Zulieferers bekomme, wirklich validiert, wenn möglich zertifiziert sind. Regulierung und Compliance sind damit auch große Treiber für Datenaustausch und Wertschöpfungsketten.
Aus einer Produktsicht muss differenziert werden, ob Kreislaufwirtschaft und Kreislauffähigkeit im Sinne der Wertschöpfung ermöglicht oder ob Kreislaufwirtschaft und Kreislauffähigkeit bewertet werden sollen. Diese Differenzierung fällt nicht immer leicht, weil viel politischer Drang dahin geht, zu sagen, wir müssen den Product Carbon Footprint bewerten. Aber der eigentliche Mehrwert aus meiner Perspektive, und das ist auch das, was die Unternehmen vielfach bewegt, ist zu prüfen: Wie kann ich Datenmodelle untereinander austauschen, um produktbezogene Prozesse effizienter zu machen? Wie kann ich Datenschätze in Unternehmen heben, die irgendwann einmal unstrukturiert abgelegt wurden? Wie kann ich sie im Nachgang labeln und strukturieren, damit ich geeignete Module oder Komponenten identifizieren kann, um besser ins Reuse oder Remanufacturing zu gehen. Diese Fragen sind einerseits datengetrieben. Andererseits ist Kreislaufwirtschaft tatsächlich auch ein Wirtschaftsthema und um hier zu den richtigen Antworten zu kommen, braucht es vernetzte Datenräume.
Wenn wir von Datenräumen sprechen, meinen wir eigentlich Datenökosysteme, die Innovationen zulassen. Wir bauen nicht einen Use Case und dann einen Datenraum drumherum. Sondern es geht darum, ein System zu automatisieren, zu flexibilisieren, sodass es erweitert werden kann, sprich Innovationen darauf entstehen können. Und eine, sicher regulierungsgetriebene, Innovation ist der Product Carbon Footprint. Wenn ich ein funktionierendes integriertes Datenökosystem habe, kann ich diesen Nachweis sehr einfach erbringen. Dieser systemische Gedanke ist für mich ganz entscheidend. Wir brauchen sehr viel Automatisierung, um die Kosten der Datenökonomie auch massiv nach unten zu bekommen. Interessant ist doch, wenn bei Catena-X ein Supplier ein Produkt an die Automobilindustrie liefert, liefert er es vielleicht auch noch in drei andere Branchen. Da möchte er nicht unterschiedliche Systeme haben. Das muss man verknüpfen. Sonst werden mittelständische Unternehmen gar keine Lust haben, dabei zu sein. Wir brauchen ja auch zum Beispiel eine Betreibergesellschaft, eine Onboarding-Gesellschaft. Soll jedes Start-up ein Ökosystem, eine eigene Betreibergesellschaft organisieren? Das wird nicht funktionieren. Also das Systemische müssen wir schaffen, nicht ständig über die Technologie reden, sondern vielmehr darüber, was dabei herauskommt – und das kann vieles sein. Wir sehen ja die Recycling Use Cases bei Catena-X. Es ist einfach fantastisch, wenn durch eine Durchgängigkeit der Daten ein Marktplatz entsteht, von dem alle profitieren.
Genau, wir müssen den Unternehmen vermitteln, dass sie in ihre Zukunft investieren, wenn sie Funktionalität über Datenräume aufbauen. Damit wird ihnen später besser gelingen, was sie heute noch nicht können. Diesen strategischen Aspekt für die Unternehmen zu betonen, ist entscheidend: Vielleicht bringt ein einzelner Use Case noch keinen unmittelbaren Nutzen, aber er demonstriert das technisch Machbare. Der größere Rahmen muss unternehmensstrategisch aufgespannt werden und der liegt in der Zukunft. Dieses Potenzial auszuschöpfen, daran arbeiten zum Beispiel Projekte aus Manufacturing-X.
Man braucht immer die Vision, muss dann aber auch wissen, wie man anfängt: mit Use Cases, die man schnell auf die Straße bringt. Dieses ganze Spektrum wirklich sauber darzustellen, ist wichtig. Das Kernthema, meine ich, ist: Wie werde ich überhaupt »data ready«?
Ich glaube, es ist wichtig, dass Daten verifiziert werden können und dass wir sicherstellen, dass Daten nicht manipuliert werden. Das ist eine Aufgabe, die Datenökosysteme erfüllen müssen. Ein weiterer Aspekt ist, wie man auch über Interoperabilitätslösungen sicherstellen kann, dass eine Datendurchgängigkeit und Normierung erfolgen kann. Es gibt im Rahmen der Catena-X-Initiative zum Beispiel den Eclipse Data Space Connector, der Daten aus verschiedenen Systemen miteinander so verbindet, dass ein Austausch möglich wird. Eine solche föderierte Interoperabilität oder auch Coexisting Standards zu ermöglichen, ist uns am Fraunhofer IPK sehr wichtig.
Wenn wir in das horizontale Vernetzen von Datenräumen gehen und branchenübergreifend unterwegs sind, dann reicht es nicht, über reine Datenstandards zu sprechen. Da kann man auf Datenmodellebene arbeiten, um einen Austausch zu ermöglichen. Hier stellen sich beispielsweise Fragen, wie man Datenstandards in verschiedenen Branchen verfügbar machen kann, um etwa den Betrieb von Maschinen und Anlagen oder mobilen Geräten zu ermöglichen. Wie kann man die gleichen Daten aber auch nutzen, um Vorhersagen zum Korrosionsverhalten zu treffen, um dann wiederum die Lebensdauer abzuschätzen und darauf basierend eine Einschätzung zur Kreislauffähigkeit zu treffen? Diese ganzen Ketten zu durchdenken und branchenübergreifende Standards zu entwickeln, das wäre mein Wunsch. Im Moment wird sich noch sehr stark auf eine Branche und deren Daten konzentriert.
Ich meine, wir brauchen dringend funktionierende Datenaustauschformate und Data-Space-Protokolle. Wir benötigen eine Art Governance, mit der man in einer Community den Gesamtprozess steuert. Wenn zum Beispiel eine Betreibergesellschaft das Onboarding machen soll, brauche ich ein Zertifizierungssystem, das die Zulassung regelt. Oder wenn es darum geht, Open-Source-Software zu entwickeln, jenseits von einfachen, vielleicht technologischeren Standards. Die muss ständig weiter gepflegt werden. Das gleiche gilt für einen Standard. Genau wie eine Software ist er iterativ und muss weiterentwickelt werden. Diese neuen Prozesse muss man im Gesamtzusammenhang sehen, damit das Systemische entstehen kann. Das ist mir sehr wichtig. Das wird zu wenig erzählt, weil die Rollen in Datenökosystemen sehr unterschiedlich sind. Wir müssen die Rollen aller Beteiligten viel klarer herausarbeiten, damit sie sich untereinander verstehen. Bin ich ein Unternehmen, das für die Technologie im Hintergrund verantwortlich ist? Biete ich einen Service über ein App an? Bin ich jemand, der diese App nutzen will und verstehen muss, wie sie funktioniert? Oder stehe ich ganz am Anfang und brauche Unterstützung, um data ready zu werden. Datenräume sind hochkomplex, aber nicht alle müssen alles machen. Es muss nur jeder seine Rolle verstehen, meine ich.
Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit hängt maßgeblich davon ab, und zwar für alle Unternehmen in einer Zulieferkette. Wer die Daten, die Abnehmer verlangen, nicht liefern kann, wird es in Zukunft am Markt sehr schwer haben. Ich glaube auch, dass die Bundesrepublik Deutschland im Moment, was das Thema Datenräume betrifft, wirklich auf dem Fahrersitz sitzt und aufpassen muss, dass es eben diesen Fahrersitz nicht wieder verliert. Wir sind im Moment führend in Europa, was dieses Thema betrifft, müssen aber am Ball bleiben und es in die breite Anwendung bringen. Damit es sich auch am Ende wettbewerblich für die deutsche Wirtschaft auszahlt.
Im Kern müssen wir dafür sorgen, dass Unternehmen die Gesamtvision kennen und verstehen, was sie im Einzelnen für sie bedeutet. Datenräume allein sind ja nicht das allheilbringende Mittel. Dazu gehören noch andere Themen wie Künstliche Intelligenz. Das heißt, wir brauchen Systeme, die uns helfen, Daten sinnvoll gemeinsam zu nutzen. Wir haben ein großes europäisches IPCEI-Projekt gestartet, um nicht nur föderierte Datenökosysteme, sondern auch eine föderierte digitale Infrastruktur zu schaffen. Ich kann nur alle dazu ermutigen, diese Vision Stück für Stück zu verstehen und daran zu glauben. Ansonsten werden wir wieder von großen nicht-europäischen Plattformen und Unternehmen überholt, die schneller in der Umsetzung sind. Wir können nicht immer drei Jahre warten und dann schauen, ob etwas funktioniert und erst dann in die Breite gehen. In Catena-X und Manufacturing-X haben wir gelernt, dass man die Entwicklung und die konkrete Anwendung am Markt parallel betreiben muss – also nicht warten, bis die große Rakete startet, sondern wirklich Schritt für Schritt. Das erfordert Mut zum Anfangen und zum Machen.
Kurz gesagt: einfach anfangen, keine Scheu haben! Die Probleme in der derzeitigen Wertschöpfung sind den meisten Unternehmen bekannt. Die Potenziale von Daten und den damit verbundenen Technologien zum Lösen der Probleme sind häufig eher weniger bekannt. Die beiden Welten zusammenzubringen, stellt viele Unternehmen dann vor die größte Herausforderung. Von daher müssen Unternehmen eine gute Balance zwischen systematischem und explorativem Vorgehen finden, um data ready zu werden. Wichtig ist dabei, dass sie immer nah an ihrer Wertschöpfung agieren und Management, IT und Fachabteilungen an einem Strang ziehen.