Eine Bestenliste der Nachhaltigkeit

Emissionen im Blick: Das Benchmarking von Treibhausgasemissionen ermöglicht eine schnelle Vergleichbarkeit nachhaltiger Unternehmensentwicklungen.

Wer zu einer Dienstreise von Berlin nach München fliegt, verursacht hin und zurück etwa 308 Kilogramm CO2. Umweltfreundlicher ist die Bahn: Mit dem ICE emittieren Reisende auf derselben Strecke lediglich 34 Kilogramm CO2 (mit durchschnittlichem Strommix, inklusive Ökostrom). Wenn man als Geschäftsreisender während der Zugfahrt aber noch am Laptop arbeitet, sieht die Klimabilanz schon wieder anders aus: Elektrogeräte benötigen Strom, genauso wie die Rechenzentren, die die Cloud samt Digitaler Zwillinge am Laufen halten. Und je nachdem, wie der Energiemix ist, beeinflusst das den CO2-Ausstoß. Doch woher weiß ein Unternehmen, wie groß der ökologische Fußabdruck seiner Angestellten ist? Wie viele klimaschädliche Treibhausgase (THG) stecken in Vorprodukten? Wo lassen sich in der Lieferkette Emissionen einsparen?

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Wie viel CO2 ist zu viel?

Die weitreichenden Folgen des Klimawandels stellen Unternehmen vor die Herausforderung, ihre negativen Umweltauswirkungen zunächst zu identifizieren und daraufhin zu minimieren. In dieser Hinsicht spielen insbesondere die Emissionen von THG eine entscheidende Rolle. Ihre umfassende Reduktion bis hin zur Klimaneutralität wird seitens der Wissenschaft und Politik eingefordert. Doch was genau bedeutet das und wie ist die Transformation zur CO2- freien Wirtschaftsweise für kleine und mittlere Unternehmen zu erreichen? Emittiere ich als Unternehmen für meine Größe zu viel? Wie stehe ich im Vergleich zu meinen Wettbewerbern da?

Diesen Fragen widmet sich das derzeit laufende Projekt »KliMaWirtschaft«, an dem der Bundesverband »Der Mittelstand«, BVMW sowie das Fraunhofer IPK beteiligt sind. Mithilfe einer dreiteiligen Workshopreihe, Online-Sprechstunden sowie einer Klimaschutztoolbox werden teilnehmende Unternehmen befähigt, ihre THG-Emissionen in einer Bilanz darzustellen, Klimaziele zu definieren und die Emissionen anschließend wirksam zu reduzieren. Insgesamt verfolgt KliMaWirtschaft das ehrgeizige Ziel, eine messbare Reduktion von 333 000 Tonnen CO2-Äquivalenten (CO2e) innerhalb von drei Jahren zu erreichen.

Auf der Suche nach Vergleichbarkeit

Als Vergleichsmaßstab dient das Greenhouse Gas Protocol: Der internationale Standard für die Bilanzierung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen differenziert zwischen drei Bereichen, sogenannten Scopes. Die erste Klasse, Scope 1, betrifft die unmittelbaren Emissionen am Standort eines Unternehmens, zum Beispiel durch Öl- oder Gasheizungen, die sich durch Zähler stände oder Stromrechnungen präzise ablesen lassen. Scope 2 umfasst die indirekten Emissionen: eingekaufte, leitungsgebundene Energie wie Strom oder Fernwärme. Unter Scope 3 werden sonstige indirekte Emissionen gefasst, die entlang der Wertschöpfungskette verursacht werden, zum Beispiel durch eingekaufte Güter, den Pendelweg der Arbeitnehmenden, Dienstreisen und die Nutzung der verkauften Geräte. Die Bilanzierung dieser Emissionen ist naturgemäß schwieriger und basiert häufig auf Modellrechnungen und Schätzungen.

Eine geeignete Methode, Emissionen in den Kontext zu setzen und sinnvoll zu bewerten, ist das sogenannte Benchmarking. Ähnlich wie in der Sportwelt, wo eigene Leistungen mit den Besten verglichen werden, wollen Unternehmen ihre Emissionsdaten mit Vorreitern oder zumindest ähnlichen Unternehmen vergleichen. Dieser Ansatz ermöglicht nicht nur eine bessere Einschätzung der eigenen Einsparziele, sondern bringt auch wertvolle Erkenntnisse aus den Erfahrungen anderer, um gemeinsam eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten.

So entstand eine von Fachleuten des Fraunhofer IPK entwickelte Applikation zur Auswertung und Analyse realer Emissionsdaten. Sie basiert auf knapp 70 eingereichten THG-Bilanzen von teilnehmenden Unternehmen – größtenteils Mittelständler – des Projekts »KliMaWirtschaft«. Das überraschende Ergebnis: Die Emissionen sind schwerpunktmäßig in Scope 3 zu finden – also außerhalb der eigentlichen Produktion.

Durchschnittliche Treibhausgasemissionen verschiedener Industriesektoren

Die Analyse zeigt also, für wie viele bisher unbewusste THG-Emissionen die Unterneh men entlang der gesamten Wertschöpfungskette verantwortlich sind. Daraus folgt gleichzeitig, dass der Mittelstand als Ganzes einen großen Beitrag für eine klimafreundliche Wirtschaftsweise leisten kann, indem er die Verantwortung für die Reduktion seiner Emissionen übernimmt und konkrete Klimaschutzmaßnahmen durchführt.

Branchenspezifische Unterschiede beim CO2-Ausstoß

Zudem lohnt ein genauer Blick auf die unterschiedlichen Verteilungen der THGEmissionen in den Industriezweigen: Produktionsunternehmen etwa verbrauchen klassischerweise viel Energie und haben einen hohen Materialumsatz. Und das schlägt sich auch in den THG-Emissionen nieder, die in Scope 2 und 3 sehr hoch sind. Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor weisen dagegen aufgrund ihrer primären Bürotätigkeit höhere Emissionen in Scope 1 und 2 auf. Etwas aus dem Raster fallen die Energieversorgungsunternehmen: Als Primärerzeuger von Strom oder beispielsweise Fernwärme, die dann leitungsgebunden bei den abnehmenden Unternehmen ankommt, haben sie sowohl absolut überdurchschnittlich hohe THG-Emissionen als auch anteilig sehr hohe Scope-1-Emissionen.

Die Teilnahme am Projekt »KliMaWirtschaft« ist für interessierte Unternehmen weiterhin möglich. Auch das CO2-Benchmarking steht jedem Unternehmen offen, das den Weg zu einer nachhaltigen Produktion gehen möchte. Das Analysetool ist hier ein exzellenter Startpunkt – selbst wenn es zunächst nur darum geht einzuschätzen, wie der eigene Betrieb im Vergleich zu anderen Unternehmen dasteht

Förderhinweis

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Förderaufrufs für innovative Klimaschutzprojekte der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) gefördert. Förderkennzeichen: 67KF0166B.