Mit Ballons gegen den Herzinfarkt

Ein neues Forschungsvorhaben soll zeigen, wie mithilfe automatisch beschichteter Ballonkatheter Arterien geweitet werden und es bleiben – damit dem Herzen nicht die Puste ausgeht.

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Optische Prüfung eines Ballonkatheters
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Ein Stent auf einem mit Medikamenten beschichteten Ballonkatheter

Ein Stechen in der Brust, ein Ziehen im Arm, das Atmen fällt schwer – die häufigen Symptome eines Herzinfarkts sind tief in unser kollektives Bewusstsein gebrannt. Häufig sind Infarkte eine Folge der koronaren Herzkrankheit (KHK), einer Volkskrankheit, die in Deutschland etwa 7 von 100 Frauen und 10 von 100 Männern im Laufe ihres Lebens betrifft.

Die Hauptursache der KHK ist eine Verengung der Herzkranzgefäße durch Kalkablagerungen an den Innenwänden der Arterien, die sogenannte Arteriosklerose. Selbst wenn es nicht bis zum Herzinfarkt kommt, leiden die Betroffenen oft unter chronischen Problemen wie Atemnot oder Schmerzen. Denn durch die Verkalkungen kommt es zu Engstellen (Stenosen) in den Gefäßen, durch die das Herz nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden kann.

Hat sich solch eine Verengung erst einmal gebildet, muss sie mechanisch beseitigt werden. Bisher geschieht das meistens in einem minimal-invasiven Eingriff, bei dem ein Ballonkatheter in die verengte Arterie eingeführt wird. Darauf befindet sich eine plastische Stütze, ein sogenannter Stent. Dieser dehnt sich aus, wenn der Ballon aufgeblasen wird, und bleibt dann im geweiteten Zustand im Gefäß zurück. So stützt er die Arterienwände und gewährleistet wieder einen ungestörten Blutfluss.

Wie jeder Fremdkörper bergen auch die in der Arterie verbleibenden Stents Risiken. Das durch die Weitung gereizte Gewebe kann beim Versuch, sich zu regenerieren, eine Schicht um die Stütze herum bilden. So kann sie innerhalb weniger Monate in das Blutgefäß einwachsen. Die so entstehende erneute Verengung des Gefäßabschnitts, genannt Restenose, tritt in etwa einem Drittel aller Stent-Behandlungen auf und erfordert weitere aufwendige Eingriffe. Um dieses Risiko auf etwa zehn Prozent zu senken, können die Stents mit immunsupprimierenden Medikamenten beschichtet werden, die das Zellwachstum mindern. Bei diesem Vorgehen ist eine mögliche Spätfolge aber eine Thrombose.

 

»Wir rechnen als Ergebnis des Projekts mit einer Steigerung des Marktanteils medikamentenbeschichteter Ballonkatheter und der Akzeptanz dieser spezifischen Therapieform gegenüber der konventionellen Stent-Behandlung.«

Dr. Thomas Speck, Geschäftsführer von InnoRa    

 

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Ein Ballonkatheter wird minimal-invasiv eingesetzt.

Die Alternative zum Stent

Die medizinische Forschung konzentriert sich deshalb zurzeit auf eine risikoärmere Alternative: Statt der Stents wird der zum Weiten des Gefäßes eingesetzte Ballonkatheter mit den Immunsuppressiva beschichtet. Über die Ballonoberfläche wird der Wirkstoff direkt in die Zellen der Arterienwände eingebracht. Dort verhindert er das Zellwachstum – und somit die erneute Verengung des Blutgefäßes – ohne, dass ein Gegenstand im Körper zurückbleibt.

Um die Sauerstoffversorgung nicht zu lange komplett zu unterbrechen, darf die Aufdehnung nicht länger als 60 Sekunden in Anspruch nehmen. Im Vergleich zu den beschichteten Stents, die einen Wirkstoff über einen längeren Zeitraum freisetzen, müssen die Ballonkatheter ihn deshalb sofort in die Arterienwand übertragen. Um gut in die Zellwände eindringen zu können, muss die Beschichtung so angelegt sein, dass die mikroskopischen Kristalle des Medikaments alle gleichgerichtet nach außen zeigen.

Doch diese sehr speziellen kristallinen Schichten können bislang nur von erfahrenem Personal in Handarbeit auf die Katheter aufgetragen werden – ein extrem aufwendiges und ineffizientes Verfahren, bei dem viel Ausschuss anfällt. Diese Technik stößt bei der massenweisen Produktion der qualitativ anspruchsvollen Medizinprodukte schnell an ihre Grenzen.

Lebensrettende Automatisierung

Ein Team am Fraunhofer IPK erforscht deshalb, wie sich das mühsame Verfahren zur Beschichtung von Ballonkathetern automatisieren lässt. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens »Heliko – Automatisierte und prozesssichere Wirkstoffbeschichtung von Ballonkathetern« wird zur Zeit der Prototyp eines Beschichtungsautomaten entwickelt. Anhand dieses Technologiedemonstrators wollen die Forschenden zeigen, wie das Verfahren prozesssicher und skalierbar durchgeführt werden kann.

So wollen sie für eine gleichbleibende Qualität und eine insgesamt höhere Wirksamkeit der beschichteten Ballonkatheter sorgen. Denn durch die Automatisierung bisheriger manueller Produktionsschritte können die Kristallstrukturen der Medikamente auf der Ballonoberfläche zuverlässiger ausgebildet werden. Gleichzeitig werden die Herstellungskosten signifikant reduziert.

Wie in der Fraunhofer-Forschung üblich, arbeiten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen eng mit Unternehmen zusammen, die auf diesem Bereich Pionierarbeit leisten. Die Firma InnoRa stellt dabei ihr Wissen zur Beschichtung der Ballons zur Verfügung und validiert die erzielten Ergebnisse in eigenen Experimenten. Organical CAD/CAM überführt das entwickelte Beschichtungssystem auf eine Werkzeugmaschine, damit die Ballons im industriellen Maßstab gefertigt werden können. 

Der Beschichtungsautomat soll Ende 2022 fertig sein und dann zügig auf den Markt gebracht werden. Dr. Thomas Speck, Geschäftsführer von InnoRa, ist optimistisch: »Wir rechnen als Ergebnis des Projekts mit einer Steigerung des Marktanteils medikamentenbeschichteter Ballonkatheter und der Akzeptanz dieser spezifischen Therapieform gegenüber der konventionellen Stent-Behandlung.« Zukünftige Patientinnen und Patienten könnten so vor dem Auftreten von Spätthrombosen bewahrt werden.