Digitalisierung ist teuer? Von wegen!

Flexibilität ist gefragt in der Produktion – so viel ist klar. Doch wie lässt sich diese wirtschaftlich umsetzen? Mögliche Antwort: über ein Unternehmensmodell aus dem Fraunhofer IPK.

Pandemien, Kriege und Verwerfungen in der Weltwirtschaft setzen Unternehmen weltweit unter Zugzwang. Doch wie reagieren Firmen schnell und adäquat, ohne die Preise für die eigenen Produkte in die Höhe zu treiben und damit die eigene Marktposition zu schädigen? Diese Frage stellte sich auch einer der größten Elektrogerätehersteller weltweit, dessen Hauptsitz in China liegt. Er holte das Fraunhofer IPK ins Boot, um eine Lösung für diese Herausforderungen zu finden. Fünf Jahre ist das mittlerweile her. »Es ist nicht mit der Verlegung der Produktion in andere Länder getan – vielmehr muss die Produktion an sich anders aufgestellt werden«, fasst Prof. Holger Kohl, Leiter des Geschäftsfelds Unternehmensmanagement, zusammen. »Es geht also um eine modulare flexible automatische Produktion, bei der man innerhalb kürzester Zeit beispielsweise vom Produkt Winkelschleifer auf das Produkt Bohrmaschine wechseln und ebenso schnell auf globale Änderungen reagieren kann.«

Entwicklungsumgebung für modulare, flexible, automatische Produktion beim Kunden

Hohe Automatisierung – niedrige Produktkosten

Um das für den Auftraggeber zu realisieren, star-teten Forschende am Fraunhofer IPK mit einem Unternehmensmodell, genannt »Blue Print Plant Modell«. Es lieferte die Basis für die Automatisierung – bei gleichbleibenden Produktkosten wohlgemerkt. »Dabei bilden wir die kompletten Gewerke wie Planung und Steuerung, Einkauf, Zuliefer­management zum Kunden, Mitarbeitende und Produktionsmanagement auf Basis eines Kernmodells ab, ebenso wie die Automatisierung«, erläutert Jan Torka, der die technische Umsetzung maßgeblich realisiert hat. »In diesem Modell können wir unmittelbar sehen, wie sich Änderungen auf die Produktkosten auswirken.« Die große Besonderheit: Entgegen bekannter Paradigmen lassen sich mit dem höchsten Automatisierungsgrad die besten Produktkosten erzielen. »Digitalisierung«, freut sich Prof. Kohl, »muss also nicht teuer sein.«

Pilotanlage: 45 Prozent Automatisierung

Auf Basis des Modells wurde eine Pilotanlage zur Montage von acht unterschiedlichen Elektrowerkzeugtypen mit jeweils bis zu 1000 Varianten entwickelt, die mittlerweile im chinesischen Partnerunternehmen steht – und die es auf einen Automatisierungsgrad von 45 Prozent bringt. Zum Vergleich: Der Standard in diesem Produktumfeld liegt bei etwa zehn Prozent. Mit der Pilotanlage lassen sich Kreissägen ebenso wie Bohrmaschinen oder andere größenmäßig vergleichbare Produkte herstellen. Dabei gelang es, das Umrüsten von bislang zweieinhalb Stunden auf lediglich zehn Minuten zu verringern.

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