Forschung treibt an

Wasserstoff, Batterie, E-Fuels – welche Antriebstechnologie wird sich durchsetzen? Produktionswissenschaftliche Forschung liefert Industrie und Politik entscheidende Erkenntnisse.

Quelle: Umweltbundesamt
Quellen: Europäischer Green Deal, Klimaschutzgesetz

Die Automobilindustrie hierzulande ist »der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland«, so das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Das belegen auch Angaben von Statista, nach denen die Branche einen Umsatz von gut 613 Milliarden Euro und über 770 000 Beschäftigte vorzuweisen hat. Durch verschiedene globale, europäische und nationale Entwicklungen gerät dieser sprichwörtliche Motor der deutschen Wirtschaft jedoch zunehmend unter Druck. 

So zum Beispiel durch verschärfte regulatorische Rahmenbedingungen: Der Europäische Green Deal verfolgt das Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Auf dem Weg dorthin sollen die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 um mehr als die Hälfte reduziert werden. Das Europäische Klimagesetz schafft einen rechtsverbindlichen Rahmen für die EU-Klimaneutralität bis 2050, während das deutsche Klimaschutzgesetz verbindliche Ziele zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in Deutschland festlegt. Bis 2040 sollen dabei 88 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden. 

Für über ein Fünftel der in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase (THG) war im Jahr 2023 der Verkehr verantwortlich. Er bietet somit einen bedeutenden Hebel zur Emissionsreduktion. Politik, Gesetzgebung und Gesellschaft geben deshalb Rahmenbedingungen für die Transformationen der Automobilindustrie vor.

Klar ist: Der klassische Benziner hat bald ausgedient. Welche Antriebstechnologie sich aber an seiner Stelle durchsetzen wird, ist weniger eindeutig. Batteriebetriebene E-Fahrzeuge bekommen in der medialen Öffentlichkeit gemeinhin die meiste Aufmerksamkeit und sind unter Berücksichtigung der aktuell verfügbaren Ressourcen momentan auch die sinnvollste Technologie. In Wissenschaft und Forschung werden jedoch bereits die Weiterentwicklung und Integration von Wasserstofftechnologien diskutiert. Welche Szenarien und Perspektiven gibt es, und was bedeuten diese jeweils für die Automobil- und Zulieferindustrie in Deutschland?

Der Markt reagiert

Deutsche Unternehmen wie BMW und Volkswagen verfolgen unterschiedliche Strategien. BMW plant in Kooperation mit Toyota, bis 2028 das erste Wasserstoffauto in Serie auf den Markt zu bringen, während Volkswagen bis 2030 einen Anteil von 70 Prozent E-Autos anstrebt. Diese Trends zeigen, dass die Hersteller ihren Fokus eindeutig auf nachhaltige alternative Konzepte legen, um den regulatorischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Sie alle treibt die Frage um, wie sich die unterschiedlichen Ansätze wissenschaftlich untermauern lassen. Oder anders gesagt: Auf welche Technologien sollten sie setzen? Verschiedene Antriebstechnologien sind unterschiedlich effizient. Gemessen wird das an ihrem Wirkungsgrad, der zentral ist für die Reduzierung der CO2-Emissionen.

Unter den alternativen Antriebsformen besitzen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEV) insgesamt den höchsten Wirkungsgrad. In der Produktion verursachen sie dagegen einen erheblichen CO2-Ausstoß, vor allem durch die verwendeten Werkstoffe wie beispielsweise Cobalt oder seltene Erden. Bei der Herstellung von konventionell angetriebenen Fahrzeugen wird aktuell 39 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu batterieelektrischen Fahrzeugen freigesetzt.  

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Die Grafik zeigt den CO₂-Ausstoß bei Herstellung und Betrieb von Fahrzeugen verschiedener Antriebsarten in Gramm pro Kilometer. Die Berechnung des Wirkungsgrades geht (in den Fällen von BEV und Wasserstoff von elektrischer Energie, im Falle von Benzin von chemischer Energie des Benzins) bis zur Antriebsleistung im Fahrzeug. – (1) Unter Berücksichtigung des deutschen Strommix’ Stand 2023, bei einer Fahrleistung von 150 000 km (2) Anteil entfällt bei einer 100 % CO2-neutralen Stromerzeugung – Datenquellen: ADAC, Electricity Maps, E.ON Energy Research Center, EPRS, Hydrogen Energy, IGEMBB, KBA, Öko-Institut, ORF, Statista, TÜV NORD, Umweltbundesamt

Betrachtet man aber den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs, spielt über alle Antriebsformen hinweg der Betrieb eine größere Rolle als die Produktion. Bei E-Fuels, Wasserstoff und BEV werden die Emissionen durch den Strommix bestimmt. Aktuell bezieht Deutschland seinen Strom zu ca. 55 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Die verbleibenden 45 Prozent aus überwiegend fossilen Quellen ziehen besonders bei Wasserstoff-angetriebenen Fahrzeugen aufgrund der geringen Wirkungsgrade einen erheblichen CO2-Ausstoß nach sich. Selbst bei einer komplett klimaneutralen Stromerzeugung müsste ein Auto mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb insgesamt 41 000 km fahren, um den CO2-Ausstoß bei der Herstellung gegenüber einem Benziner auszugleichen – also einmal um die ganze Welt. Die Wasserstoffdirektverbrennung kann hier eine gute Alternative bieten, auch wenn der Wirkungsgrad etwas schlechter ist.

Wasserstoff in seiner ganzen Vielfalt

    CO2-Emissionen pro MJ H21
Farbe Erzeugung Heutiges Energiesystem2 Zukünftiges Energiesystem3

Grauer Wasserstoff

Mithilfe von Wasserdampf aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Kohle oder Öl (Dampfreforming) 134 g 54g

Blauer Wasserstoff

Wie grauer Wasserstoff, jedoch wird das entstandene CO2 unterirdisch gespeichert (CCS-Technik) 103 g 16 g

Türkiser Wasserstoff

Unter Hochtemperatureinwirkung (Pyrolyse) aus Methan 108 g 17 g
Grüner Wasserstoff Durch Elektrolyse von Wasser 13 g 0 g

 
1 Die Emissionswerte werden in g CO2-Äq. pro MJ H2 oder »Gramm CO2-Äquivalente pro Megajoule Wasserstoff« angegeben
2 mit dem Strommix der aktuellen allgemeinen Versorgung
3 mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen
Quelle: Umweltbundesamt

Die Krux mit dem Wasserstoff

Wasserstoff bietet gegenüber konventionellen Kraftstoffen wie Benzin oder Diesel einige Vorteile, ist aber auch mit Herausforderungen verbunden:

  • Auf die Masse bezogen besitzt Wasserstoff den dreifachen Energiegehalt im Vergleich zu Benzin, allerdings beträgt aufgrund seiner geringeren Dichte der Energiegehalt pro Volumen nur ein Drittel. Bei einer Speicherung in Gastanks sind somit für eine gleiche Reichweite größere Tanks notwendig.
  • Wasserstoff bietet sehr weite Zündgrenzen, was eine gute Teillasteffizienz ermöglicht, Wasserstoff in der Handhabung aber auch gefährlich macht.
  • Die Zündenergie ist deutlich niedriger als bei anderen Ottokraftstoffen. Das macht Wasserstoff sehr empfindlich gegenüber ungewollter Vorentflammung.
  • Fehlende Schmierung durch den Kraftstoff ist ein weiterer Nachteil gegenüber Kraftstoffen auf Kohlenwasserstoffbasis.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, braucht es wissenschaftliche Lösungen: Produktions- und materialwissenschaftliche Forschung hat vielversprechende Verbesserungspotenziale an verschiedenen Stellen in Brennstoffzellenfahrzeugen (FCEV) identifiziert und arbeitet daran, diese zu heben. 

Ein großes Potenzial bietet die Fertigung der Wasserstofftanks aus faserverstärkten Kunststoffen (CFK), die hohe Festigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht bieten. CFK-Tanks ermöglichen eine Gewichtseinsparung von bis zu 72 Prozent im Vergleich zu metallischen Tanks. Doch sie verursachen hohe CO2-Emissionen in der Produktion – etwa 2210 kg CO2e für 350-bar-Tanks und 2670 kg CO2e für 700-bar-Tanks. Fortschritte in der Tankproduktion sind deshalb entscheidend, um die Wasserstoff-Brennstoffzelle als emissionsarme Mobilitätslösung wettbewerbsfähig zu machen.

Die Brennstoffzelle selbst besteht aus bis zu 200 Einzelkomponenten, in deren Zentrum die Bipolarplatten stehen, durch die der Wasserstoff geleitet wird. Anstatt sie einzeln zu fräsen, werden diese Platten zunehmend aus metallischen Materialien wie Edelstahl, Titan oder Aluminium in umformenden Prozessen in Serie gefertigt, was ihre Produktionskosten senkt und die Haltbarkeit verbessert. Optimierte Kanalstrukturen innerhalb der Bipolarplatten ermöglichen eine verbesserte Gasführung und erhöhen die Effizienz der Brennstoffzellen. Die direkte Umwandlung von chemischer in elektrische Energie ohne thermische Verluste führt zu einem Wirkungsgrad von bis zu 60 Prozent. Dadurch wird die Brennstoffzelle zu einer effizienten und umweltfreundlichen Antriebslösung.

Ausgewählte FuE-Verbesserungspotenziale bei Wasserstoffantrieben

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Warum über Umwege, wenn es auch direkt geht?

Die Wasserstoffdirektverbrennung ist eine vielversprechende Brückentechnologie, die eine einfachere Integration in bestehende Verbrennungsmotoren ermöglicht. Somit ist sie weniger disruptiv als andere alternative Antriebstechnologien, da bestehende Motoren mit moderaten Anpassungen genutzt werden können.

Da die Wasserstoffflammen bis an die Zylinderwände brennen, sind die keramischen Beschichtungen der Kolben entscheidend, um thermische Belastungen und Verschleiß zu minimieren. Weil Wasserstoff hauptsächlich zu Wasserdampf verbrennt, hat diese Art der Verbrennung CO2-freie Abgase sowie niedrigere Emissionen von Stickoxiden (NOx) zur Folge.

Die Einspritzung erfolgt über speziell entwickelte Injektoren, während das Ventilsystem durch eine hochgenaue Ventilsitzfertigung maximale Dichtheit und Effizienz gewährleisten muss. Um die NOx-Emissionen weiter zu reduzieren, sind zusätzliche Maßnahmen wie Abmagerung und eine gekühlte Abgasrückführung unter Hochdruck erforderlich.

Es gibt also im Bereich der Wasserstoffdirektverbrennung noch viel Forschungsbedarf, insgesamt stellt sie aber eine praktikable Lösung dar, um den Übergang zu emissionsfreien Antrieben zu erleichtern und bestehende Infrastrukturen zu nutzen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IPK erforschen heute neue Technologien, um den morgigen Herausforderungen des Einsatzes von Wasserstoff als Energiequelle zu begegnen. Dabei berücksichtigen sie nicht nur die unmittelbar notwendigen neuen Komponenten, sondern auch die Implikationen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs.