Virtuell testen – real sparen

Per Software schneller von der Idee zum Prototypen: enVAR überträgt Designs 1:1 in eine virtuelle Umgebung und optimiert so die Zusammenarbeit im Team.

Produktentwicklungskosten sind für die deutsche und europäische Wirtschaft zu einer existenziellen Frage geworden. Ob im Maschinenbau, in der Automobilindustrie, der Mobilitätsbranche oder im Baugewerbe: Je später Planungsfehler entdeckt werden und je weiter sich Projekte verzögern, desto gravierender die Folgen im Wettbewerb. Mithilfe von Extended-Reality-Methoden wie zum Beispiel Virtual Reality (VR) unterstützen Forschende am Fraunhofer IPK Unternehmen dabei, solche Risiken zu minimieren. Sie haben eine niedrigschwellige Virtual-Reality-Plattform entwickelt, auf der sich Designs, Prototypen und Entwürfe wirklichkeitsgetreu testen und adaptieren lassen. Die Plattform heißt enVAR und beruht auf den Prinzipien der sogenannten immersiven Technologien.

© Fraunhofer IPK/Larissa Klassen

Schwachstellen früh erkennen


enVAR ermöglicht es Ingenieurinnen und Ingenieuren, Daten aus dem PLM-System (Product Lifecycle Management) in eine VRUmgebung zu importieren und maßstabsgetreue 3D-Modelle ihrer Konzepte zu visualisieren. Das hilft beispielsweise dabei, Schwachstellen aufzudecken. Darüber hinaus können sich andere Teammitglieder im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild vom Projektstand machen, ohne selbst über CAD-Kenntnisse zu verfügen (Computer- Aided Design). Dazu gehören etwa Trainees, die per integrierter Notizfunktion Aufträge entgegennehmen, oder Mitglieder der Geschäftsführung, die Korrekturen vorschlagen und ausprobieren möchten. Statt also umständlich per Screenshots zu erläutern, können Mitarbeitende auf Augenhöhe Ideen austauschen und Arbeitsstände abgleichen. Hat sich das Team auf Änderungen geeinigt, werden sie ins PLM-System zurückgespielt. Auf diese Weise kann die Arbeit am Produkt nahtlos weitergehen.

Planen, Prüfen, Optimieren

Die Einsatzszenarien von enVAR umfassen unter anderem Einbauuntersuchungen, Machbarkeitsstudien und Bedarfsanalysen zur Ressourcenminimierung. Projektteams können beispielsweise

  • das komplexe Innenleben eines Fahrzeugs so modellieren, dass bestimmte Bauteile noch weniger Platz einnehmen,
  • das ideale Kosten-Komfort-Verhältnis für Fernverkehrszüge ermitteln
  • von der Sitzanordnung und der Gepäckaufbewahrung über die Kabelführung und die Gestaltung der Wirtschaftsräume bis zur Einrichtung von Schlafabteilen,
  • den jeweils richtigen Standort für Regale, Monitore und Sitzmöbel einer Universitätsbibliothek herausfinden, oder
  • virtuell in einem Bürokomplex Glasfaserkabel verlegen, um den Bedarf exakt zu bestimmen.

Die Software lässt sich intuitiv bedienen und liefert zugleich präzise Ergebnisse. Sollen zum Beispiel Rohre verlegt werden, definiert das Team unter anderem den Durchmesser und den minimalen Biegeradius und liest die entstandene Konfigurationsdatei in enVAR ein. In der Software lässt sich der entsprechende Leitungstyp auswählen und mittels Kontrollpunkten an den Oberflächen des Modells platzieren. So kann das Team exakt visualisieren, wo die Rohre mit den vordefinierten Eigenschaften verlaufen sollen. Die Kontrollpunkte lassen sich jederzeit verschieben oder löschen – und mit ihnen die virtuellen Rohre.

© Fraunhofer IPK/Larissa Klassen
Mithilfe immersiver Technologien verschmelzen virtuelle und physische Realität

Reale Bauteile in virtueller Umgebung

Das Fraunhofer IPK bereitet enVAR bereits auf weitere Aufgaben vor. Denkbar sind beispielsweise virtuelle Kollisionstests in der Fahrzeugentwicklung, Ergonomieprüfungen im Prototypenbau und Sichtkontrollen. Darüber hinaus kann die Fraunhofer-Software perspektivisch durch die Anbindung einer Augmented-Reality-Applikation profitieren, da die bereits in VR erprobten Nutzerinteraktionen und PLM-Schnittstellen in diese integriert werden können. Das bedeutet beispielsweise: Entwicklungsteams werden in die Lage versetzt, in der virtuellen Umgebung mit realen Bauteilen zu hantieren.

© Fraunhofer IPK/Larissa Klassen
Anhand von Extended- Reality-Methoden unterstützt das Team des Fraunhofer IPK seine Partner
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Kollaboratives Engineering dank Immersion

Das Fraunhofer IPK findet Lösungen zu Fragestellungen der Industrie rund um die Zukunft des Engineerings und entwickelt ganzheitliche Methoden und Technologien für die Produktentstehung. Unter anderem befassen sich die Forschenden mit den sogenannten immersiven Technologien. Der Begriff Immersion leitet sich vom lateinischen »immersio« ab und bedeutet wörtlich »Eintauchen«. Beim kollaborativen Engineering auf Plattformen wie enVAR tauchen ganze Teams gemeinsam in virtuelle Welten ein. Weitere immersive Lösungen finden sich als industrienahe Anwendungen in der virtuellen Inbetriebnahme von Anlagen, in Absicherungsmethoden, Assistenzsystemen und Trainingsumgebungen.