Produktion am Zug

Ein Gastbeitrag von Dr.-Ing. Benjamin Graf, Senior Referent bei der Konzernleitung der Deutschen Bahn AG im Bereich Qualitätsprüfung und Exzellenzassessment

Bei der Deutschen Bahn produzieren wir Mobilität. Gerade wenn es um die CO2-neutrale Produktion geht, lassen sich erstaunlich viele Parallelen zur Produktionsforschung am Fraunhofer IPK finden.

Auf den ersten Blick sind es zwei ganz unterschiedliche Themen: Die Produktion von Mobilität und die Produktion von materiellen Gütern. Aber die Vorgehensweisen zur CO2-neutralen Wertschöpfung und zugehörige Erkenntnisse aus der Forschung finden sich auch bei der Produktion von Mobilität wieder. Zunächst gilt es, den Ressourceneinsatz CO2-neutral zu gestalten. Die Produktionsforschung lehrt hier ein genaues Verständnis des mit dem Materialeinsatz verbundenen CO2-Aufwands. Und auch bei der Produktion von Mobilität gilt es, den Ressourceneinsatz entsprechend zu gestalten. Die wichtigste Ressource dabei ist die Energie. Die Deutsche Bahn setzt hierfür immer mehr Ökostrom ein. Der Fernverkehr fährt heute bereits mit 100 Prozent Ökostrom. Bis zum Jahr 2025 erfolgt die Umstellung aller stationären Anlagen, also der Bahnhöfe, Instandhaltungswerke und Bürogebäude. Und wie beim Materialeinsatz für die Produktion materieller Güter ist es entscheidend, stets ausreichend Ressourcen auch für eine steigende Nachfrage vorzuhalten. Um den größeren Bedarf nach Ökostrom zu decken, hat die DB vor Kurzem ihren ersten grenzüberschreitenden Ökostrom-Vertrag geschlossen. Ab 2023 wird mit Wasserkraft aus Norwegen eine jährliche CO2-Einsparung von 146 000 Tonnen erreicht. Auch aus Deutschland wird der Ökostrom aus Wasserkraftwerken bezogen. Das Saalachkraftwerk in Bad Reichenhall wird dabei von DB Energie selbst betrieben. Weiterhin ist bei beiden Produktionszielen die Steigerung der Energieeffizienz entscheidend. Hierzu kommen in modernen Zügen Systeme zum Einsatz, die Bremsenergie zurückgewinnen und diese wieder in die Oberleitung einspeisen.

Eine Herausforderung für die CO2-neutrale Wertschöpfung: Steigende Nachfrage erfordert die Skalierung bei laufender Produktion. Hierfür liefert das Qualitätsmanagement einen wichtigen Beitrag.

Verspätungen entstehen insbesondere an Stellen, in denen die vorhandene Infrastruktur stark ausgelastet ist oder die üblichen Kapazitäten auf der Strecke durch notwendige Bauarbeiten eingeschränkt sind. Im Themenfeld Qualitätsprüfung bei der Deutschen Bahn bewerten wir in präventiven Prüfungen die daraus entstehenden Risiken für den betrieblichen Ablauf. Anschließend leiten wir daraus Maßnahmen zur Risikominimierung ab. Dazu gehören beispielsweise die Stärkung der Rückfallebenen und der Robustheit der Infrastruktur auf Umleiterstrecken. In enger Zusammenarbeit im Systemverbund Bahn arbeiten wir an der Maßnahmenumsetzung. Ziel ist es, Mobilität für unsere Kunden in möglichst hoher Qualität bereitzustellen und dabei gleichzeitig unser Produktionssystem für die hohe Nachfrage nach CO2-neutraler Mobilität zu skalieren. 

Dr.-Ing. Benjamin Graf

© Fraunhofer IPK/Katharina Strohmeier

arbeitet seit 2020 bei der Konzernleitung der Deutschen Bahn AG im Bereich Qua-litätsprüfung und Exzellenzassessment. Hier befasst er sich mit Baustellen, Pünktlichkeit und der Optimierung von betrieblichen Abläufen. Am Fraunhofer IPK promovierte Graf im Themenfeld des Auftragschweißens und leitete die Abteilung Füge- und Beschich-tungstechnik. »Von den Erfahrungen aus der produktionsorientierten Forschung am Fraunhofer IPK profitiere ich stark bei meiner heutigen Tätigkeit zur Produktion von Mobilität. Stets gilt es, den Kundennutzen im Fokus zu haben und die technischen Lösungen darauf anzupassen.«