Kraft der Abbildung

Durch Simulationsmodelle können Produkte besser analysiert und Entwicklungen prognostiziert werden. Ein Forschungsteam hat ein KI-basiertes Assistenzsystem entwickelt, das die Effizienz der Verfahren steigert.

Die Abbildung des CAD-Modells eines Polypropylen-Bauteils mit eingefrästem Text (links) dient als Grundlage für das Convolutional Neural Network (CNN). Anhand der Finite-ElementeSimulation (rechts) lässt sich das CNN des Assistenzsystems trainieren, um die Spannungsverteilung über das Bauteil zu ermitteln.

Überfordert uns die Vorstellungskraft, greifen wir zum Stift und bringen die Unordnung im Kopf zu Papier. Durch das Veranschaulichen eines komplexen Sachverhalts kann er uns, zumindest für den Moment, nicht mehr entgleiten. Auf diesem elementaren Konzept bauen heutige Simulationsmodelle im Engineering auf. Die computerbasierten Modelle sollen uns helfen, Produkte in ihren Eigenschaften zu verstehen und künftige Entwicklungen vorauszusagen. In Simulationsmodellen können verschiedene Methoden, wie etwa Finite-Elemente-Analysen (FE), die numerische Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics, CFD) und ereignisorientierte Simulationsmethoden (Discrete Event Simulation, DES) angewendet werden. Die FE-Analyse wird beispielsweise zum Untersuchen von Spannungen und Verformungen eines Bauteils unter Krafteinwir­kung eingesetzt. Hingegen können mit CFD-Methoden Geometrien von Bauteilen für optimale Umströmung positioniert oder verformt werden. Und durch DES-Simulation können ganze Fertigungsabläufe virtuell untersucht werden. Gemein haben diese Verfahren, dass sie keine physischen Prototypen erfordern: So können Zeit und Kosten eingespart werden.

Doch das Erstellen solcher Simulationen erfordert viel Erfahrung und ist meist mit hohem Aufwand verbunden. Besonders bei der Analyse verschiedener Varianten oder Konfigurationen eines Produktes ist der Aufwand für spezifische Anwendungsfälle enorm. 

 

Intelligentes Simulieren … 

KI-basierte Assistenzsysteme können Ingenieurinnen und Ingenieure an dieser Stelle exzellent unterstützen. Mit ihrer Hilfe können unter anderem Ergebnisse früherer Simulationen analysiert und auf neue Produkte mit ähnlicher Konfiguration übertragen werden. Außerdem können Ingenieurinnen mithilfe ähnlicher Simulationen eine intelligente Auswahl der Parameter und Randbedingungen für eine aktuelle Fragestellung treffen. Zudem können Ersatzmodelle, also reduzierte digitale Modelle, der Simulation erzeugt werden. For­schende des Fraunhofer IPK haben die beträchtlichen Funktionsmöglichkeiten solcher intelligenter Systeme erkannt und forschen an neuen Ansätzen, Ingenieure im Berufsalltag noch besser zu unterstützen. 

Im Projekt wurden Lösungsansätze für einen Anwendungsfall im Produktdesign erforscht. Konkret ging es um die Gefahr, dass beim Einfräsen von Texten in Polypropylen-Bauteile das Material geschwächt wird, was bei einer Biegebelastung zu Materialversagen führen kann. Es wäre für die Ingenieurinnen jedoch zu aufwändig gewesen, vor jedem Fräsvorgang eine FE-Analyse mithilfe eines Simulationsmodells zu erstellen, die Schwachpunkte in der Fräsbahn offengelegt hätte. Daher musste ein unterstützendes System her, welches die Bauteile im Vorfeld bezüglich ihrer Eigenschaften auswertet, um aufwendige Simulationen zu vermeiden. Den Lösungsansatz bot ein KI-basiertes Assistenzsystem, das eine Analyse der einzelnen Bauteile auf Basis intelligenter Bildauswertung umsetzt. Für das Assistenzsystem wurde ein Convolutional Neural Network (CNN), ein künstliches neuronales Netz aus dem Bereich des Maschinellen Lernens, eingesetzt. Das CNN wurde für die Bilderkennung adaptiert, um Bilddaten der Polypropylen-Bauteile auszuwerten. Dabei wurde das System mithilfe der entstandenen Bilddaten sowie der dazugehörigen FE-Ergebnisse trainiert, die verschiedenen Konfigurationen einer Bauteilsimulation zu bestimmen. Dadurch entstand ein reduziertes Modell, mit dessen Hilfe das Assistenzsystem anschließend in der Lage war, an einem Bild des Bauteils mit einzufräsendem Text zu erkennen, wann das Bauteil robust genug erscheint und wann es zu fragil für den Fräsvorgang ist. Durch den Einsatz der KI war eine Simulation und FE-Analyse vor dem Fräsen nicht mehr notwendig. Somit konnten fehlerhafte Bauteile in Echtzeit erkannt werden, um für diese entsprechend detaillierte Simu­lationen einzuleiten.

 

… Exzellente Ergebnisse

Die Studie zeigt das Potenzial der Bilderkennung als Ersatz für zeitaufwendige Finite-Elemente-Analysen bei Simulationsmodellen. Klar ist: Die Möglichkeiten der Entscheidungsfindung mit KI und Simulationen sind mannigfaltig. So soll in Zukunft nicht nur die FE-Analyse durch das Assistenzsystem ersetzt werden, sondern darüber hinaus die Trefferquote des Systems mithilfe eines hybriden Ersatzmodells auf Basis von Realdaten, also während des Fräsprozesses, kontinuierlich optimiert werden. Auch ein Digitaler Zwilling, ein vollständiges Ersatzmodell, ist in Planung. Die Vorteile KI-basierter Assistenzsysteme sind nicht von der Hand zu weisen: Sie steigern die Effizienz und senken die Kosten erheblich.