Forschung braucht ein Zuhause

Heimlich, still und leise vollzieht sich diesen November ein Doppeljubiläum am Spreebogen: Das Produktionstechnische Zentrum (PTZ) Berlin wird 35 Jahre alt. Sein Erweiterungsbau, das Anwendungszentrum Mikroproduktionstechnik – AMP feiert seinen 10. Geburtstag. Anlass für einen Rückblick auf die Geschichte eines besonderen Forschungsortes.

Wer bei einem Berlin-Besuch eine Bootstour auf der Spree unternimmt, erfährt zwischen Moabit und dem Zusammenfluss von Spree und Landwehrkanal manch Interessantes über ein kreisrundes Gebäude am südlichen Flussufer. Zum Beispiel, dass hier eine über hundertjährige Tradition universitärer Lehre und Forschung im Werkzeugmaschinenbau gepflegt wird. Dass es auch als »Doppelinstitut« bekannt ist. Oder dass eine spezielle Pulverbeschichtung dafür sorgt, dass die weiße Außenfassade seit über 30 Jahren strahlend der Berliner Stadtluft trotzt. 

Wenn diese Wände reden könnten, sie hätten viel zu erzählen. Von Besuchenden aus aller Welt, die sich hier über Meilensteine der Produktionsforschung informiert haben, von Computer Integrated Manufacturing bis zu Industrie 4.0. Denn das PTZ ist ein besonderes Forschungszentrum. Seine sechs Stockwerke beherbergen zwei renommierte Wissenschaftseinrichtungen: Das Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb IWF der TU Berlin und das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK. Ihnen stehen im PTZ neben einem Versuchsfeld mit rund 3200 Quadratmetern auch zahlreiche Speziallabore zur Verfügung, zum Teil mit leistungsfähiger Klimatechnik für konstante Umgebungsbedingungen. Knapp 100 Versuchsstände ermöglichen praxisnahe Forschung und Entwicklung. Eine solche Ausstattung sorgt für Aufmerksamkeit, vor allem in einem politischen Zentrum wie Berlin. Doch beginnen wir am Anfang.

© TU Berlin
Georg Schlesinger (links)
© TU Berlin
Zweites Domizil des IPA-­Berlin, Kleiststraße, 1979

Wie alles begann

1904

Georg Schlesinger wird erster Professor für »Werkzeugmaschinen, Fabrikanlagen und Fabrikbetriebe« an der Vorgängerin der TU Berlin. Er richtet das erste produktionswissenschaftliche Versuchsfeld in Deutschland ein, kooperiert mit Industrieunternehmen.

1976

Professor Günter Spur initiiert eine »Berliner Versuchsanstalt für Produktionstechnik«, um Forschungsergebnisse in industrielle Anwendung zu bringen. So entsteht das erste Berliner Fraunhofer-Institut, zunächst als Außenstelle des Stuttgarter Fraunhofer IPA. 1979 wird das Fraunhofer IPK eigenständig.

1981

Mit drei Mitarbeitenden gestartet, verteilt sich das Fraunhofer IPK schon wenige Jahre nach seiner Gründung auf zwei Standorte – beide zu klein. Lange Wege erschweren zudem die Zusammenarbeit mit dem IWF. Ein gemeinsames Gebäude wird angedacht.

© TU Berlin
Entwurfsmodell, Stand 1982
© Fraunhofer IPK / Gerold Baumhauer
AMP im Bau, Juli 2010
© Maedscar
Luftbild PTZ mit AMP, 2019

Baugeschichte

 

1982

Das Baukonzept der Architekten Gerd Fesel und Peter Bayerer bricht mit traditionellen Bauformen im Industrie- und Universitätsbau. Die Gebäudeteile für praktische und theoretische Arbeit werden nicht nebeneinander gesetzt, sondern in einem Rundbau eng verzahnt.

1986

Nach drei Jahren Bauzeit wird das Gebäude eingeweiht. 1987 erhält es den Deutschen Architekturpreis. Zudem wird die pulverbeschichtete Fassade mit dem europäischen Stahlbaupreis ausgezeichnet.

2011

Exakt 25 Jahre nach seiner Einweihung erhält das PTZ einen Anbau für Präzisionsfertigung. Im Anwendungszentrum Mikroproduktionstechnik – AMP ermöglichen exakt regulierte Umgebungsbedingungen die akkurate Herstellung kleinster Strukturen. 

© Fraunhofer IPK / Andy King
Blick in das Versuchsfeld, 2019

Besuch aus aller Welt

1986

Die 35 Jahre PTZ sind auch 35 Jahre, in denen Besuche hochrangiger Prominenter immer wieder die Relevanz der Forschung am Spreebogen unterstreichen. Das beginnt schon damit, dass Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen am 25. November 1986 das Gebäude eröffnen.

© TU Berlin
Bundespräsident von Weizsäcker eröffnet das Gebäude, 1986

2005

In den Folgejahren informieren sich zahlreiche deutsche und internationale Politikgrößen vor Ort über die Forschung im PTZ. Unter ihnen ist 2005 Klaus Wowereit, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Regierender Bürgermeister Berlins. Die Bundesforschungsministerinnen Edelgard Bulmahn und Johanna Wanka laden sogar zu eigenen Veranstaltungen ins Gebäude. Der Chinesische Vize-Ministerpräsident Ma Kai sorgt 2015 für diplomatischen Ausnahmezustand. Armeniens Präsident Dr. Armen Sarkissian sowie der Premierminister von Thailand, H. E. Prayut Chan-o-Cha beehren das PTZ 2018 sogar am gleichen Tag. Und Wissenschaftsminister unter anderem aus Australien, China, Großbritannien, Indonesien, Jordanien und ­Thailand erfahren Details zum Fraunhofer-Modell. 

© TU Berlin
Besuch von Berlins Oberbürgermeister Klaus Wowereit, 2005