Smart war gestern – jetzt wird‘s empathisch

Im Projekt EMOTION entstehen Mensch-Technik-Lösungen für die resiliente Produktion von Morgen. Der Schlüssel: Empathie.

Man stelle sich eine Fabrik vor, in der Maschinen nicht nur Aufgaben ausführen, sondern auch erkennen, was die Akteure ihres Umfelds – andere Maschinen, Menschen und Roboter – gerade brauchen. In der Maschinen und Roboter eigenständig Störungen, Engpässe und Überlastungen identifizieren und bei Bedarf ihre Hilfe anbieten, indem sie sich autonom anpassen. Willkommen bei EMOTION – einem Fraunhofer-Leitprojekt, das das Ziel verfolgt, die Widerstandskraft von Produktionsunternehmen gegenüber Krisen und disruptiven Veränderungen zu stärken.

Flexibilität als gemeinsame Mission 

Der Kerngedanke: In der Produktion erwächst Resilienz aus dem synergetischen Zusammenspiel von Menschen und intelligenten Maschinen. Wenn das Handeln aller Akteure nahtlos ineinandergreift, können sie dynamisch auf unerwartete Ereignisse reagieren und aus ihnen lernen. Ergebnis ist ein agiles Produktionssystem, das sich geschickt durch Turbulenzen lotst und selbst unter rauen Bedingungen handlungsfähig bleibt.

Was es dafür braucht? Empathie! »Mit EMOTION wollen wir die Fähigkeit der Empathie vom Menschen auf technische Systeme übertragen«, erklärt Christopher Mühlich. Er koordiniert das Leuchtturmprojekt, bei dem sieben Fraunhofer-Institute zusammenarbeiten. »In einem empathischen Produktionssystem kennt jede Komponente nicht nur den eigenen technischen Zustand, sondern auch den aller anderen Beteiligten – und kann darauf reagieren«. 

© Fraunhofer IPK / Larissa Klassen

Synergie in Aktion

Soweit, so theoretisch. Um Produktionssysteme mit diesen Merkmalen auszustatten, bedarf es einer Kombination der neuesten Technologien aus den Bereichen Smart Maintenance, Machine Learning, Internet of Things und Automatisierung. 

Die erarbeiteten Lösungen werden dann in enger Kooperation mit der Industrie erprobt und weiterentwickelt. »Bei Projektpräsentationen erleben wir regelmäßig eine wachsende Begeisterung, sobald wir zu den konkreten Anwendungen kommen«, erzählt Mühlich. »Hinterher wird dann lebhaft diskutiert, was das Konzept alles ermöglichen könnte.«

Um einiges davon aufzuzeigen, entsteht am Fraunhofer IPK ein komplexes Praxisszenario für die empathische Kooperation technischer Systeme anhand einer Prozesskette für die Herstellung von Brennstoffzellen. »Ein übergeordnetes Ziel dabei ist, die Bereiche Produktionsplanung und -steuerung sowie Instandhaltung und Fertigung jeweils eng zu verzahnen – ein entscheidender Schritt zu einem robusten Gesamtsystem.«

»Mit EMOTION wollen wir
die Fähigkeit der Empathie
vom Menschen auf
technische Systeme übertragen.«

Safety First: Datenräume

Der Mensch wird in dieses Gesamtsystem nahtlos integriert, indem er individuelle Unterstützung durch empathische Assistenzsysteme erfährt. Da für deren passgenaue Installation auch persönliche Daten verarbeitet werden, stellt sich nicht zuletzt hier die wichtige Frage der Datensouveränität. »Der Umgang mit sensiblen Daten ist ein Thema, das Unternehmen verständlicherweise sehr bewegt«, sagt Mühlich. »Wir haben uns daher viele Gedanken gemacht, wie wir das angehen.« 

Damit die Privatsphäre der Mitarbeitenden nicht gefährdet wird, haben die Projektpartner eine Lösung entwickelt, die zwei innovative Technologien kombiniert: Federated Learning und Daten-räume. So erhalten alle Mitarbeitenden einen persönlichen virtuellen Datenraum, in dem ihre spezifischen Daten nur ihnen zugänglich sind. Federated Learning, ein Ansatz der KI, ermöglicht es, Modelle zur Optimierung von Assistenzsystemen oder Produktionsprozessen ausschließlich dort auf den individuellen Daten zu trainieren. Anschließend werden nur die Modelle selbst – und keinerlei sensible Daten – an zentraler Stelle zusammengeführt. »So kann das volle Potenzial der verfügbaren Daten genutzt und zugleich der Schutz personenbezogener Daten gewahrt werden«, erklärt Mühlich.

Wie es weitergeht …

EMOTION hat das erste Jahr erfolgreich abgeschlossen, die entwickelten KI-, Data- und Hardware-Technologien fließen in einer übergeordneten Plattform zusammen. Seine Rolle als Projekt-Netzwerker beschreibt Mühlich mit reichlich, aber hochfaszinierender Arbeit. »Wir starten mit vielen neuen Ideen ins zweite Jahr«, resümiert er. 

»Und wir kommen der Vision einer sich komplett selbst steuernden Fabrik, in der Menschen und Maschinen empathisch zusammenarbeiten, Schritt für Schritt näher.«

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FUTUR-Beitrag

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Ein neues Fraunhofer-Leitprojekt untersucht, wie Produktionssysteme durch kooperatives Verhalten widerstandsfähiger werden. Dabei spielt Empathie eine entscheidende Rolle.