Mit Systemen digital durchstarten

Ein Passagierflug im Jahr 2050: emissionsarm, leise, sicher, bezahlbar? Die Luftfahrt steht vor enormen Herausforderungen auf dem Weg zu einer neuen Generation von Antrieben.

Mit einem Anteil von etwa 3,5 bis fünf Prozent an der anthropogenen Erwärmung gehört die Luftfahrt zu den größten Klimasündern. Unter dieser Voraussetzung ist es schwer vorstellbar, dass Fliegen in der aktuellen Form auch in der Zukunft noch zu unserem Alltag gehört. Um das Fliegen nachhaltiger zu gestalten, sind daher statt schrittweisen Verbesserungen alternative Konzepte gefragt. Neben der Verwendung nachhaltiger Kraftstoffe rücken hybrid-elektrische Antriebe zunehmend in den Fokus der Forschung und Entwicklung. Diese Technologien kombinieren erneuerbare Energiequellen mit herkömmlichen Antrieben und könnten so einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung der Umweltbelastung leisten.

Die Integration hybrid-elektrischer Antriebe in Flugzeuge, Drohnen oder zukünftig auch Flugtaxis ist jedoch komplex. Neue Produktarchitekturen entstehen durch die Beteiligung vieler verschiedener Hersteller an der Realisierung der Produkte. Dazu kommen lange Entwicklungszeiten, insbesondere bei Flugzeugherstellern: Zwischen 5 und 15 Jahren können Entwicklung, Komponenten- und Simulator-Tests, Flugversuche, Zertifizierung und weitere Schritte in Anspruch nehmen. Während dieser Zeitspanne müssen Hersteller, Entwickler, Zulieferer und Behörden durchgängig miteinander in Kontakt bleiben. Um diese Komplexität beherrschbar zu machen, nutzen Forschende am Fraunhofer IPK das Konzept der Systemorientierung. Das Flugzeug und seine Bestandteile, wie etwa der Antrieb, werden nicht mehr als alleinstehende Elemente, sondern als sich beeinflussende Teile eines größeren Systems betrachtet. Dabei ist es entscheidend, die Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Systemen zu definieren und eine Systemarchitektur zu entwickeln, die eine nahtlose Integration ermöglicht. Diese Architektur ist jedoch nur der erste Schritt – um wirklich effektiv zu sein, muss sie in die gesamte Entwicklung, Fertigung und Prüfung der Systeme integriert werden.

© Celt Studio / stock.adobe.com (AI generated)
Innovative Konzepte für Flugzeuge, Drohnen und Flugtaxis wie dieses erfordern grundlegendes Umdenken in der Entwicklung statt inkrementeller Schritte.

Ein weiterer Schlüssel zu einer erfolgreichen Realisierung neuer Antriebskonzepte ist der Einsatz von Digitalen Zwillingen. Diese virtuellen Modelle bilden das physische System ab und ermöglichen es, Subsysteme zu verknüpfen, Sollparameter zu identifizieren und das Verhalten des gesamten Systems zu analysieren. Beim Entwickeln und Testen neuer hybrid-elektrischer Triebwerke kann das erhebliche Vorteile bringen, denn das Zusammenspiel aus konventioneller Verbrennung in einer Gasturbine, elektrischem Antrieb und Batterie ist hochkomplex. Während des Fluges müssen die Parameter aller dieser Systeme nämlich laufend angepasst werden. Mit den im Projekt »DIREKT« entwickelten Konzepten für Digitale Zwillinge lassen sich Antriebssysteme entwerfen, die diese Aufgabe bewältigen können: Sowohl der elektrische und konventionelle Verbrauch des Antriebsstrangs als auch der aktuelle Ladestand des elektrischen Speichers können kontinuierlich erfasst und die Einstellung der Antriebsparameter in Kombination mit der verbleibenden Flugstrecke optimiert werden. Darüber hinaus können bei der Entwicklung der Folgegeneration eines Antriebssystems die aus dem Digitalen Zwilling gewonnenen Erkenntnisse direkt in die Systemarchitektur einfließen und Entwicklungsentscheidungen unterstützen. Das verkürzt Entwicklungszeiten und ermöglicht einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

 

Um das Fliegen nachhaltiger zu gestalten, sind alternative Konzepte gefragt:
Hybrid-elektrische Antriebe rücken in den Fokus von Forschung und Entwicklung.

 

Bis es zum Einsatz eines neuen Triebwerks in der Luft kommen kann, müssen Hersteller einen Zertifizierungsprozess mit höchsten Anforderungen an Dokumentation sowie Umfang und Qualität der dafür erforderlichen Daten durchlaufen. Geht es um die Zertifizierung komplett neuer Antriebssysteme, ist das besonders aufwendig, denn für hybrid-elektrische Antriebssysteme gibt es bislang nicht genug belastbare Erfahrungswerte, um Sicherheitsgrenzwerte zu definieren. Der Einsatz von Digitalen Zwillingen kann hier einen entscheidenden Unterschied machen – denn neue Antriebe erfordern auch passende Methoden, um die Auswirkungen grundlegender Änderungen zu untersuchen. Durch die Integration von Daten verschiedener Lieferanten und Hersteller können die Akteure eng mit den Zertifizierungsbehörden zusammenarbeiten und erfasste Daten austauschen. Das ermöglicht eine schnellere und sicherere Entwicklung der erforderlichen Sicherheitsstandards. Auch die Untersuchung dieses Potenzials ist Teil des Projekts DIREKT. Die Herausforderungen dabei liegen nicht nur in der komplexen Datenintegration, sondern auch in der Definition konsistenter Geschäftsmodelle, die die verschiedenen Partner motivieren, die notwendigen Daten bereitzustellen. Das Zusammenspiel aus datendurchgängiger Systemorientierung und dem Einsatz Digitaler Zwillinge könnte eine Grundlage für die nächste Generation des Fliegens schaffen: effizienter, nachhaltiger und bereit für die Herausforderungen der Zukunft. 

Förderhinweis

Das DIREKT Projekt und diese Veröffentlichung wurden gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages (Förderkennzeichen: 20L2108B).