Die Schiene gilt als einer der klimafreundlichsten Verkehrsträger. Trotzdem steht sie in Deutschland häufig in der Kritik.
Ein Gastbeitrag von Dr. Sascha Reinkober, Leiter Großmaschineneinsatz bei der DB InfraGO AG.
Ein Gastbeitrag von Dr. Sascha Reinkober, Leiter Großmaschineneinsatz bei der DB InfraGO AG.
Verspätungen, Zugausfälle, unzufriedene Reisende – unsere Eisenbahninfrastruktur verlangt unseren Kunden bezogen auf Qualität und Kapazität einiges ab. Seit der Bahnreform 1994 ist die Betriebsleistung um beeindruckende 27 Prozent gestiegen, das Netz gleichzeitig um 15 Prozent geschrumpft. Trotz dieser Entwicklung betreibt die DB InfraGO AG heute das größte Schienennetz Europas – im sogenannten Mischverkehr. Das heißt, Güterverkehr, Personennahverkehr und Personenfernverkehr teilen sich dieselbe Infrastruktur. Auf mehr als 33 000 Gleiskilometern sind in Deutschland täglich im Schnitt 50 000 Züge von mehr als 450 Eisenbahnverkehrsunternehmen unterwegs. Diese hohe Fahrdichte sowie die zum Teil sehr langen Verbindungen – die längste Bahnstrecke zwischen Hamburg und München über Frankfurt Flughafen misst 1301 Kilometer – stellen höchste Anforderungen an die Betriebsstabilität. Der Bahnverkehr funktioniert wie eine Perlenkette: Wenn ein Glied ins Stocken gerät, beeinflusst das den gesamten Ablauf.
Unsere Aufgabe bei der DB InfraGO AG ist es, dieses komplexe Schienennetz leistungsfähig zu gestalten und dauerhaft zu erhalten. Dazu gehört die Erstellung von Fahrplänen, die Betriebsführung, das Baumanagement, die Instandhaltung und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Schieneninfrastruktur. Dabei folgen wir der Prämisse »Fahren und Bauen« und realisieren mit dem Deutschlandtakt einen landesweit optimal synchronisierten Fahrplan für den Personen- und Güterverkehr. Unser Ziel: Fernverkehrszüge sollen in den größten deutschen Städten künftig im 30-Minuten-Takt und stets zur gleichen Zeit ankommen. Die Anschlüsse im Regionalverkehr werden daran ausgerichtet. Damit schaffen wir bessere Verbindungen, kürzere Umsteigezeiten und mehr Verlässlichkeit – auch in ländlichen Regionen. Darüber hinaus hilft uns der Taktfahrplan, Engpässe im Schienennetz frühzeitig zu identifizieren, Züge zu priorisieren sowie benötigte Infrastrukturmaßnahmen gezielt umzusetzen.
Zu letzteren gehören nicht nur Neu- und Ausbauvorhaben, sondern vor allem auch die Instandhaltung des hochbelasteten Schienennetzes. Darunter fallen die regelmäßige Inspektion, Wartung und Reparatur von Gleisen, Weichen und Signalen. Auch hier arbeiten wir im Takt: Ein Großteil unserer Instandhaltungsarbeiten in der Großmaschinentechnik findet in regelmäßig getakteten und eingeplanten Zeiträumen statt. Hauptsächlich nachts in den sogenannten Sperrpausen zwischen 22 und 5 Uhr. Mit hochspezialisierten Schienenschleif- und Fräszügen beheben wir proaktiv und reaktiv Verschleißerscheinungen, inspizieren Brücken und Tunnel oder stabilisieren mit Stopf- und Sanierungsarbeiten die Fahrbahn. Diese kontinuierlichen Maßnahmen erhöhen die Betriebssicherheit, vermeiden Langsamfahrstellen oder Zugausfälle und sorgen dafür, dass der Verkehr tagsüber möglichst reibungslos läuft.
Mobilität ist aber mehr als nur Transport. Die DB InfraGO AG ist zugleich für die Gestaltung und den Betrieb von rund 5400 Bahnhöfen in ganz Deutschland verantwortlich. Um die Aufenthaltsqualität für die Reisenden zu verbessern und auszubauen, arbeiten wir mit Ländern und Kommunen, Aufgabenträgern und Eisenbahnverkehrsunternehmen zusammen und entwickeln attraktive Bahnhöfe, die nicht nur zweckgebundene Haltestationen sind, sondern auch kunden- und serviceorientierte Orte, die Reisende zum Verweilen einladen. Ein gutes Beispiel ist der Leipziger Hauptbahnhof, der als größter Kopfbahnhof Europas auch ein architektonisches Highlight ist und über 140 Geschäfte und Restaurants beherbergt.
Bei all unseren Bemühungen, sowohl die Qualität des Schienennetzes als auch der Bahnhöfe zu verbessern, steht die Gemeinwohlorientierung der Eisenbahninfrastruktur seit dem Jahr 2024 mehr denn je im Fokus. Das bedeutet: Wir richten die Bewirtschaftung und den Ausbau der Infrastruktur konsequent an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft und der Umwelt aus. Dabei ist für uns das Zusammenspiel mit dem Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn zentral: Der Bund formuliert politische, am Gemeinwohl orientierte Ziele für die Infrastruktur und stellt die Finanzierung sicher. Die DB InfraGO AG setzt diese Ziele effizient und transparent um. Für die nächsten Jahre ist unser Fahrplan gesetzt: Wir wollen die Verkehrsleistung im Personenverkehr verdoppeln, den Marktanteil im Schienengüterverkehr von 19 auf 25 Prozent ausbauen und den Deutschlandtakt umsetzen – und letztendlich dafür sorgen, dass noch mehr Verkehr auf die umweltfreundliche Schiene verlagert wird.
war wissenschaftlicher Mitarbeiter und zuletzt Abteilungsleiter Fertigungstechnologien am Fraunhofer IPK. Nach seiner Promotion wechselte er 2020 zur Deutschen Bahn und leitet seit August 2024 den Großmaschineneinsatz bei der DB InfraGO AG. Sein Team aus mehr als 200 Mitarbeitenden ist zum großen Teil deutschlandweit an wechselnden Einsatzorten und zu 95 Prozent in Nachtarbeit tätig. Privat und dienstlich fährt Reinkober natürlich mit der Bahn. »Ich habe es schätzen gelernt, auch mal einen Kaffee trinken zu gehen, sich die Beine vertreten zu können oder auch im Zug zu arbeiten«, sagt er, gibt aber auch zu, seine Reisen an die Verlässlichkeit der Zugverbindungen anzupassen. Sein Tipp: »Ich reise meist sehr früh am Morgen oder sehr spät am Abend, weil die Züge dann pünktlicher sind. Und ich versuche, Umstiege zu vermeiden. Dafür nehme ich auch eine längere Fahrzeit in Kauf.«