Intelligente mechatronische Anlagentechnik

FuE-Trends 2022 / 2023

Wenn die ­Maschine ihren Zustand meldet

Auch wenn das zentrale Anliegen von digital integrierter Produktion oder Industrie 4.0 die Vernetzung von Industrieanlagen ist – die einzelne Maschine bleibt ein zentraler Ansatzpunkt für Optimierung. Das aus mehreren Gründen: Vernetzung erfordert Schnittstellen, die zunächst an der individuellen Anlage realisiert werden müssen. Und auch bei Themen wie der Ressourceneffizienz geht auf der Anlagenebene die Entwicklung stetig weiter.

Vernetzte Prozesse fußen auf Daten aus einzelnen Anlagen. Maschinen – ob Werkzeugmaschine oder Roboter – erhalten immer mehr Digitalfunktionen. Dafür gibt es mehrere Gründe. »Flexibilisierung spielt eine Rolle«, erklärt Dr. Kriwet von Festo. »Die Anlagen sollen schneller umrüstbar sein. Also bevorzugen viele Maschinenbauer zunehmend elektrische Antriebstechnik gegenüber pneumatischer, weil man damit Zwischenpositionen anfahren kann.« Da bei elektrischer Antriebstechnik zudem die Bewegungsdynamik präziser geregelt werden kann als bei pneumatischer, erreicht sie auch hochwertigere Ergebnisse. 

Vor allem aber ermöglicht die Integration von Elektronik, den Zustand und das Verhalten von Anlagen laufend zu überwachen und in Digitalen Anlagenzwillingen abzubilden. So können Produktions- und Umgebungseinflüsse erkannt und korrigiert sowie Anpassungen vorab simuliert werden. Damit lassen sich Prozesse effizienter einstellen als je zuvor. Zudem kann frühzeitig eingegriffen werden, wenn ein Prozess unrund läuft oder ein Maschinenschaden droht.

Sensorik überwacht Maschinen und unterstützt ihre Regelung

Die Basis bilden in die Anlagen integrierte Sensorik und Netzwerktechnologien. Diese Komponenten werden immer günstiger. »Früher kostete die Mechanik 100 Euro und gewisse elektronische oder sensorische Ausstattung 200«, berichtet Dr. Kriwet. »Inzwischen kostet die Mechanik immer noch 100, aber die Sensorik und Elektronik nur noch zwei Euro. Jetzt macht es Sinn, die Mechanik mit sehr viel mehr Elektronik, Sensorik und Kommunikationstechnik aufzuwerten.« 

Der Benefit besteht in der exakten Überwachung von Parametern wie Tempe­raturen, Vibrationen und Energieverbrauch. Algorithmen des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz können aus solchen Daten zum Beispiel lernen, wie der »Normalzustand« einer Maschine aussieht – und warnen, wenn Abweichungen vom Soll auftreten oder sich problematische Trends abzeichnen. So können im Sinne einer smarten und vorausschauenden Instandhaltung Wartungen vorgenommen werden, ehe eine Maschine ausfällt. Das ermöglicht völlig neue Maintenance-Konzepte. 

Doch auch die Einrichtung und das optimale Fahren von Bearbeitungsprozessen profitieren massiv von intelligenter Datenanalyse auf Basis von Sensorik. »Analysesysteme können unerkannte Verbesserungspotentiale in Prozessen aufzeigen. Die vorgeschlagenen Parameterveränderungen haben die Qualität von Expertenempfehlungen in Tests erreicht, zum Teil sogar übertroffen«, berichtet Dr. Volker Trinks, Vice President Technologie und Entwicklung Tubing bei der SCHOTT AG. Knappe oder teure Ressourcen wie Energie können so sparsamer und effizienter eingesetzt werden als bisher. Und noch ein Aspekt spielt eine Rolle: Wenn Maschinen ihre Prozesse mit KI ein Stück weit autonom optimieren, wird Qualität mit größerer Konstanz erreicht. Zudem kann Know-how einfach und sicher an verschiedene Standorte transferiert werden, wenn es als automatisierter Ablauf in einer Anlage gekapselt ist. 

Hardware für Digitalfunktionen muss langlebig sein

Voraussetzung ist eine sorgfältige Auswahl der elektronischen Komponenten, denn für den Maschinenbau ist es ein Problem, dass die Entwicklungszyklen im Elektronikbereich immer kürzer werden. Viele elektronische Geräte werden mit Blick auf Massenmärkte entwickelt, die schnelle Systemwechsel im Interesse immer größerer Leistung und Kapazität wünschen. Der Maschinenbau braucht größere Konstanz. Manche Unternehmen haben inzwischen Schwierigkeiten, Komponenten zu finden, die auch nur fünf Jahre verfügbar sind. Daraus folgen immense Anforderungen an die Flexibilität der Software und der Entwicklung. 

Die Gefahr, dass eine teure Werkzeugmaschine stillsteht, weil ein drei-Euro-Sensor ausfällt oder eine Steuerungssoftware nicht mehr aktualisiert werden kann, sieht man auch bei KAPP NILES und Festo. Ziel muss aus Sicht der Anlagenhersteller daher sein, eine gute Balance zu finden zwischen dem Mehrwert, den man durch Digitalisierung erreicht und dem damit einhergehenden Aufwand und Risiko. Vor diesem Hintergrund ist denkbar, elektronische Komponenten in Maschinen austauschbar zu halten. Auch Retrofit ist eine gangbare Option.

Fertigungsverfahren für neue Werkstoffe und Komponenten

Optimierungspotenzial besteht im Anlagenbereich jedoch auch jenseits von elektronischer Aufwertung. Bearbeitungsstrategien für neue, nachhaltige Materialien beschäftigen die Unternehmen ebenso wie urformende Verfahren, mit denen sich beispielsweise Komponenten aus unterschiedlichen Werkstoffen einfach integrieren lassen. Ein Thema ist hier Formgebung mit metallischen Werkstoffen um mit anderen Verfahren hergestellte Komponenten herum. Spritzgießen kommt dazu ebenso infrage wie additive Herstellungsverfahren. 

Besonders im Automotive-Bereich besteht vor dem Hintergrund neuer Antriebskonzepte, kürzerer Produktzyklen und neuer, umweltfreundlicher Hochleistungswerkstoffe ein großer FuE-Bedarf. »Nur ein Beispiel: Die E-Mobilität erfordert andere Schleiftechnik, weil feinere Oberflächenstrukturen gebraucht werden«, berichtet Martin Kapp von KAPP NILES. Am Fraunhofer IPK entwickeln wir Technologien für die Hochleistungsbearbeitung, die höchsten Anforderungen an Produktivität, Zuverlässigkeit und Ressourceneffizienz gerecht werden.

Neue Regelungsverfahren machen Robotik universell einsetzbar

Wenn es darum geht, Fertigungsumgebungen so einzurichten, dass man sie jederzeit flexibel an neue Aufgaben anpassen kann, wird auch Anlagentechnik jenseits der klassischen Werkzeugmaschine interessant. Der Robotik-Markt etwa erwartet für 2022 zweistellige Wachstumsraten, wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Anfang des Jahres vermeldete. Roboter haben in den letzten Jahren viel »dazugelernt«: Moderne Kraftregelung und neue Lösungen zur Mensch-Roboter-Kooperation machen sie zu universell und sogar mobil einsetzbaren Bearbeitungs- und Montagemaschinen. 

Besonders flexibel werden Roboter, wenn Menschen sicher auf engem Raum mit ihnen zusammenarbeiten können. Dann muss die Bahnführung nicht bis zum letzten Millimeter programmiert werden. Der Mensch kann den Roboter manuell feinjustieren. Vor diesem Hintergrund resümiert Prof. Schramm von BMW: »Ich bin überzeugt, dass der weitere Ausbau der smarten Interaktion von Mensch und Roboter die Zukunft prägen wird.« Auch neue Konzepte zur Programmierung, etwa auf Basis von Gesten, erleichtern die schnelle Einrichtung. 

Unsere Lösungen für dieses Themenfeld

  • Sensorik für Anlagen für Erstausstattung und Retrofit
  • Bearbeitungsstrategien und -technologien für neue Werkstoffe
  • Kraftgeregelte und handgeführte Robotik für Bearbeitung und Handling
  • Innovative Fertigungsverfahren wie Additive Fertigung oder Spritzguss mit metallischen Werkstoffen
  • Sensorintegration in additiv gefertigte Bauteile

Drei Fragen an

Prof. Dr. h. c. Dr.-Ing. Eckart Uhlmann

Fraunhofer IPK

 

Technologien und Anlagen für eine digital ­integrierte ­Produktion

FuE-Highlights zu intelligenter ­mechatronischer Anlagentechnik

Intelligente Anlagentechnik ist ein Kerngeschäft des Fraunhofer IPK. Unsere Highlights sind Neuentwicklungen für Anwendungsgebiete aus der Medizin, dem Leichtbau im Automotive-Bereich und der Additiven Fertigung.

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Industrielle Robotik: Automatisierung, Programmierverfahren, Bearbeitung mit Robotern

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Moderne Schweißverfahrenskombinationen