Bedienerunabhängige und konstante Qualität durch intelligente Assistenz

Interview zu Wissen und Assistenz in der Produktion

Drei Fragen an Dr.-Ing. Volker Trinks, SCHOTT AG

Warum sind Assistenzsysteme ein wichtiges Thema für SCHOTT?

Trinks:

Wir sind Weltmarktführer für Spezialglasrohre für pharmazeutische Primärpackmittel wie Glasbehälter für ­Impfstoffe. In diesem Bereich steigen die Qualitätsanforderungen seit Jahren. Gleichbleibende Qualität zu gewährleisten, erfordert bei Rohrglas jedoch einen hohen Aufwand, denn jeder Zug, also jede Fertigungseinheit ist individuell. Um die daher ebenfalls sehr individuellen Prozesse optimal einzustellen und das Ergebnis laufend zu kontrollieren, nutzen wir optische Technologien und intelligen-te Methoden der Bildverarbeitung und Mustererkennung. Ohne solche Methoden lässt sich die Individualität der Züge kaum noch erfassen. 

Warum ist intelligente Assistenz in diesen Bereichen unverzichtbar?

Trinks:

Das hat mehrere Gründe. Produktionsprozesse optimal einzustellen, ist extrem komplex geworden. In Schmelze und Formgebung spielen viele Parameter hinein. Nur noch hochqualifizierte Fachleute schaffen es, ein optimales Zusammenspiel zu modellieren. Die Bedienenden an den Linien brauchen dagegen Assistenzsysteme, die die besten Werte zur Prozessführung ermitteln, die im spezifischen Moment möglich sind. Solche Systeme müssen auch signalisieren, ob es noch Optimierungspotenzial gibt. Was die Qualitätssicherung betrifft: Bei der Produktion müssen Fehler im Glas durchgängig detektiert und eindeutig klassifiziert werden, um die Produkteigenschaften zu 100 Prozent zu garantieren. Mit bloßem Auge ist das nicht möglich, wohl aber mit optischen Technologien kombiniert mit KI. Mit mindestens teilautonomer Regelung und optischer Inspektion erreichen wir also standortübergreifend ein sehr hohes Qualitätslevel. Zudem sichern wir ein Stück weit das Know-how der Prozessexpertinnen und -experten. 

Wird der Mensch an der Linie dann nicht verzichtbar?

Trinks:

In absehbarer Zeit auf keinen Fall. Digitalisierung wird bei uns nicht einen Mitarbeitenden in der ­Produktion ersetzen, denn nur Menschen können flexibel auf außergewöhnliche Situationen reagieren. Eine wichtige Aufgabe ist daher, immer komplexere Systeme so zu gestalten, dass Maschinenbedienende sie gut nutzen können und alle Informationen erhalten, die sie benötigen. Es muss etwa transparent werden, warum ein System eine bestimmte Entscheidung trifft. 

Zur Person

Dr. Volker Trinks ist seit 1991 bei der SCHOTT AG tätig. Dort leitet er seit 2016 die Technologieentwicklung der Businessunit Tubing, die die Prozess- und Verfahrensentwicklung sowie die Entwicklung von Messsystemen, Produktionsmaschinen und das Fachgebiet Optische Technologien umfasst. Ein relativ junger Schwerpunkt sind die umfassende Prozessdigitalisierung und der Einsatz von KI-Methoden.

SCHOTT produziert weltweit rund 30 Millionen Pharmabehälter pro Tag. Bevorzugtes Material ist Borosilicatglas, weil es kein Material an Impfstoffe oder Medikamente abgibt. Die Mehrheit der COVID-19-Impfstoffe wird in Fläschchen aus diesem Glas abgefüllt. Bis Ende 2021 hat SCHOTT Fläschchen für über fünf Milliarden COVID-19-Impfdosen geliefert.