Flexible Produktionsprozesse ganzheitlich denken

Interview zu Fertigungssysteme und Produktionssteuerung

Drei Fragen an Prof. Dr.-Ing. Helmut-Joseph Schramm, BMW Group

Was motiviert Sie, Produktionsabläufe bei BMW Motorrad zu flexibilisieren? 

Schramm:

Wir haben die größte Variantenvielfalt in der Motorradindustrie. Individualität ist quasi ein Markenzeichen von BMW Motorrad. Kein Bike ist wie das andere, jeder Kunde kann sich sein Motorrad individuell zusammenstellen. Im Berliner BMW Group Werk arbeiten wir mit rund 11 000 lebenden Sachnummern – die Komplexität, die sich daraus ergibt, ist nur mit intelligenten Lösungen zu handhaben. Flexibilität ist zudem ein entscheidendes In­strument zur Erhöhung der Resilienz. Durch unser flexibles Produktionssystem sind wir als Team auch in Zeiten hoher Volatilität erfolgreich. 

An welche Art intelligenter Lösungen denken Sie da?

Schramm:

Die Palette der Möglichkeiten reicht von intelligenten Lösungen zur Fertigung von kundenindividuellem Design innerhalb des Serienfertigungsprozesses bis zur Vernetzung der Produktionsabläufe mit Methoden der Künstlichen Intelligenz. Ein Beispiel aus der sogenannten Smart Logistics sind intelligente Roboter, die den Produktionsprozess erleichtern. Wie etwa der »Sortbot«. Dieser sortiert autonom ca. 5000 Leergut-Behälter am Tag, stapelt diese und stellt sie schließlich der Logistik zur Abholung bereit. Dabei ist der Roboter durch eine 3D-Kamera in der Lage, die verschiedenen Behälterformen und Typen zu identifizieren und diese mittels Künstlicher Intelligenz auf die richtige Palette zu sortieren. Wichtig ist, dass wir stets den gesamten Produktionsprozess betrachten.

Was meinen Sie damit? 

Schramm:

Die sogenannte Intraprozess-Logistik spielt eine ganz entscheidende Rolle. Ich nehme wahr, dass in der Produktion die Logistik zwischen den Bearbeitungsschritten häufig vernachlässigt wird. Sie ist jedoch eine wichtige Querschnittsfunktion: Produktionsabläufe scheitern meist nicht an einzelnen Produktionsschritten wie beispielsweise der spanenden Bearbeitung, sondern an der Abstimmung vom einen zum nächsten Prozessschritt – zum Beispiel, wenn beim nächsten Bearbeitungsschritt Material fehlt. Deswegen kommen wir ohne Smart Logistics nicht zu sich selbst optimierenden Systemen.

Zur Person

Prof. Dr. Schramm leitet seit 2017 die weltweite Produktion von BMW Motorrad sowie das BMW Motorradwerk in Berlin-Spandau. Seit 2004 ist er zudem Honorarprofessor für das Fachgebiet Logistik- und Produktionswirtschaft an der Technischen Hochschule Wildau.

Das BMW Motorradwerk in Berlin ist Leitwerk der internationalen BMW Motorradproduktion. Dort entstehen Motorräder für den Export in über 130 Länder. Mit Unterstützung des Fraunhofer IPK entwickelt BMW Motorrad eine Technologie, mit der kundenindividuelles Design in einen Serienfertigungsprozess integriert wird.